Seelenriss: Thriller
tun«, schnitt er ihr das Wort ab und senkte den Blick auf ihre Hand an seinem Arm.
Lena ließ von ihm ab, und für einen Augenblick verschlug es ihr die Sprache. Sie glaubte Matthias kein Wort und musste sich regelrecht zwingen, sich wieder zu beruhigen. »Na schön, ganz wie du willst«, zischte sie, nachdem sie sich wieder ein wenig gefasst hatte. »Ich hoffe nur, du kannst gut schlafen, wenn in den Nachrichten bald über das nächste Opfer berichtet wird.«
Sie ließ ihm ihre Karte da und rauschte wutentbrannt davon, ohne sich von ihm zu verabschieden.
15
Einige Stunden später in Berlin-Wilmersdorf …
Er hatte die Dunkelheit während der letzten Wochen schätzen gelernt, und das Licht der Straßenlaternen, das durch die Bretterschlitze in sein Arbeitszimmer fiel, reichte ihm zur Orientierung. Früher hatte er hier Abend für Abend gesessen und bei einem Glas Wein und einer Zigarette den liegengebliebenen Papierkram erledigt. Hatte etwa Kostenvoranschläge für den Einbau von Alarmanlagen oder den Austausch von Schlössern erstellt und die Zahlungseingänge diverser Privatkunden überprüft, die seine Dienste in Anspruch genommen hatten, wenn sie sich ausgesperrt hatten. Heute nutzte er den Raum, um seine tödlichen Pläne zu schmieden.
Jeder seiner Schritte war sorgfältig durchdacht. Das betraf sowohl die Reihenfolge, in der er seine Opfer tötete, als auch wann, wo und wie sie sterben sollten. Er wusste, er durfte keinerlei Risiko eingehen und sich nicht den allerkleinsten Fehler erlauben. Nicht, bevor nicht der letzte Name auf seiner Liste abgehakt wäre. Der Porzellanengel auf seinem Schreibtisch drehte sich zu der Melodie eines Kinderlieds, während er mit routinierten Handgriffen ein Paar Laborhandschuhe und sein blutverkrustetes, gut zwanzig Zentimeter langes Jagdmesser in seinem Handwerkerkoffer verstaute. Er tat das mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der andere, wie etwa sein Nachbar Kai Hübner, den Frühstückstisch gedeckt oder aber das Pausenbrot ihres Kindes geschmiert hätten. Kurz fragte er sich, wie es Hübner im Keller in der Zwischenzeit wohl ergangen sein mochte. Ob er noch am Leben war? Er tat den Gedanken mit einem gleichgültigen Seufzer ab, setzte sich mit der heruntergebrannten Zigarette im Mundwinkel wieder an den zugemüllten Schreibtisch und wartete darauf, dass sein Laptop hochfuhr.
Kurze Zeit später klickte er auf den mit einem Kreuz markierten Folder, in dem er die Namen, die Adressen sowie die dazugehörigen Fotos seiner nächsten Opfer abgespeichert hatte. Und während der Drucker sich leise ratternd in Gang setzte, fragte er sich, ob die verabscheuungswürdigen Kreaturen, die sich hinter den Namen auf seiner Liste verbargen, bereits damit rechneten, dass er sie aufsuchen und ihr Leben auslöschen würde. Dabei hätte die Nachricht, die er ihnen geschickt hatte, unmissverständlicher nicht sein können, sagte er sich und steckte jene Adresse ein, die der Drucker soeben ausgespuckt hatte. Anschließend nahm er das gerahmte Bild vom Schreibtisch, das eine in die Kamera lächelnde Frau zeigte, und betrachtete es im Schein des Monitors. Ein schwerfälliger Seufzer entrang sich ihm, und während er mit dem Daumen zärtlich über das Bild fuhr, verflüchtigte sich der milde Ausdruck in seinen Augen, und brennende Wut wallte in ihm auf. Rasch stellte er das Foto zurück und setzte seine Kapuze auf. Dann nahm er seinen Handwerkerkoffer und verließ mit der Entschlossenheit eines Mannes, der nichts mehr zu verlieren hat, das Haus.
16
Der Feierabendverkehr hatte sich inzwischen gelegt, und Lena rechnete sich aus, in weniger als zwanzig Minuten zu Hause zu sein, als sie auf ihrer Vespa Richtung Friedrichshain abbog. Obwohl die Praxis von Matthias bereits weit hinter ihr lag, spürte sie noch immer, wie ihr Puls raste. Wie konnte Matthias nur so stur sein!
Wütend gab sie Gas und versuchte, den Gedanken an ihren Exfreund abzuschütteln, da bemerkte sie im Rückspiegel, dass der schwarze Lieferwagen hinter ihr viel zu dicht auffuhr. Lena erhöhte das Tempo, doch der Fahrer des Wagens schien gar nicht daran zu denken, den Abstand zu verringern, sondern kam ihr erneut bedrohlich nahe. So ein Vollidiot fehlt mir jetzt gerade noch! Kurzerhand nahm sie eine Abkürzung über eine schmale Seitenstraße. Sie dachte schon, sie hätte ihren Verfolger erfolgreich abgehängt, doch an der nächsten Straßenecke wurde sie vom Gegenteil überzeugt. Was zum Teufel …?!
Erst jetzt
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