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Seelenriss: Thriller

Seelenriss: Thriller

Titel: Seelenriss: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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konnte sie ihren freien Abend getrost vergessen. Allerdings wurde sie als Profilerin meist nur dann zu einem Fall hinzugezogen, wenn mindestens ein Menschenleben auf so perverse Art und Weise ausgelöscht worden war, dass die Tat jegliche Nachvollziehbarkeit eines »normal« denkenden Menschen überstieg.
    Lena nahm den Anruf an, und es ging tatsächlich nicht um Bellings Tochter, sondern um einen Mord. Was Belling ihr allerdings darüber berichtete, gab ihr Rätsel auf. Ihre Neugier war geweckt, und sie beschloss, sich selbst ein Bild zu verschaffen. Sie schlüpfte in ihre Turnschuhe, drehte die schulterlangen mittelbraunen Haare zu einem Dutt zusammen, schnappte sich die Schlüssel ihrer Vespa und machte sich umgehend auf den Weg zum Tatort.

2
    Vierzig Minuten später …
    Die untergehende Sonne versank langsam hinter den Hausdächern und tauchte die Straßenschluchten in ein warmes Licht. Es lud eher zu einem Abendspaziergang an der Spree oder zu einem Feierabendbier in einer Bar im Prenzlauer Berg ein, passte aber so gar nicht zu dem grausamen Anblick, der sich Lena vor dem Mietshaus in der Schönhauser Allee bieten sollte.
    Schon von weitem sah sie die Schaulustigen, die sich rund um die Absperrung versammelt hatten. Sie stellte ihre nachtblaue Vespa in einiger Entfernung ab und näherte sich schnellen Schritts der aufgebrachten Menge. Lena war nur knapp eins sechzig groß und von zierlicher Statur, so dass sie Mühe hatte, sich zwischen all den Gaffern den Weg zum Tatort zu bahnen. »Entschuldigung, dürfte ich bitte? Danke.«
    Der Leichenwagen war gerade eben eingetroffen, und Lena musste sich beeilen, wenn sie noch einen Blick auf die Tote erhaschen wollte. Wulf Belling war nirgends zu sehen, und Lena ging davon aus, dass er bereits oben in der Wohnung des Opfers war. Sie wies sich gerade bei den umstehenden Polizisten aus, als sie hinter sich eine gereizte Stimme vernahm: »Ich habe ja schon so einiges an Abscheulichkeiten gesehen, aber das hier …«
    Lena wandte sich um und blickte in die Augen von Bastian Kindler, einem Rechtsmediziner in den Vierzigern, dem sie im Institut in Moabit schon einige Male über den Weg gelaufen war. Kindler erklärte ihr, er sei kurzfristig als Urlaubsvertretung für Dr. Kurt Böttner eingesprungen, der gerade mit seiner Familie Urlaub an der Ostsee machte, und Lena sah ihm an, dass er seine Bereitwilligkeit schon jetzt bereute.
    Mit wachsendem Unbehagen folgte sie Kindler zu der Toten, bei der es sich nach Bellings Angaben um eine gewisse Lynn Maurer handelte. Kindler zog das Laken beiseite, so dass Lena einen Blick auf die Tote werfen konnte. Sie lag mit verrenkten Gliedmaßen auf dem Rücken, die Arme weit von sich gestreckt, das Gesicht abgewandt. Unter ihrem Kopf hatte sich eine dunkle Lache auf dem Asphalt ausgebreitet. Ihre langen kastanienbraunen Haare waren durchtränkt von Blut, und Lena spürte, wie sich ihr bei dem Anblick der Magen verkrampfte. Sie kämpfte gegen den Würgereiz, den der Anblick von Blut in ihr auslöste. Ihr Blick wanderte über den leblosen Körper der Frau, die schlank, etwa eins siebzig groß und lediglich mit einem hellblauen Bademantel bekleidet war. Darunter trug sie nichts weiter als einen Slip. Plötzlich verengten sich Lenas Augen, und schockiert sah sie zu Kindler auf. »Sie war schwanger.«
    Der Rechtsmediziner nickte. »Das ist richtig. Sie dürfte etwa in der vierzehnten oder fünfzehnten Woche gewesen sein«, präzisierte er mit einem Blick auf den leicht vorgewölbten Bauch der Frau.
    Lena runzelte die Stirn und machte ein paar Schritte um die Tote herum. An den Armen und Beinen der Frau klafften gut zehn Zentimeter große Schnittwunden, darüber hinaus zeichneten sich mehrere faustgroße ältere und neuere Hämatome ab. Als Lena in das Gesicht der Frau blickte, zogen sich ihr die Eingeweide zusammen. Mein Gott! Das, was hier zu ihren Füßen lag, war kaum mehr als Gesicht zu bezeichnen. Die Haut war von der Stirn abwärts fast vollständig verschwunden, so dass die Wangenknochen zwischen dem wenigen noch vorhandenen Muskelgewebe weißlich hervorstachen. An Stelle der Augen blickte Lena in zwei blutverkrustete Höhlen. Dem bis zur Unkenntlichkeit entstellten Gesicht nach hätte die Frau jedes Alter zwischen zwanzig und vierzig haben können, aber ihrer Figur nach zu urteilen, schätzte Lena sie auf Anfang oder Mitte zwanzig.
    »Es handelt sich dabei um Verätzungen durch eine sehr aggressive Säure. Sind höchstwahrscheinlich ante

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