Seelensplitter - Marionette des Schicksals (German Edition)
Leinwand. Mit einem lauten Klappern
kippte sie zu Boden, die feuchte, nachtschwarze Farbe spritzte Zane
entgegen, traf ihn ins Gesicht, auf die Arme und Beine. Es störte
ihn nicht. Ein leises Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als
er das über und über mit schwarzer Farbe bedeckte Bild sah.
Melica war verschwunden. Und Zane wurde schlagartig klar, dass es so
auf keinen Fall weitergehen konnte.
Ohne dem verwüsteten
Zimmer auch nur noch einen Blick zu schenken, rannte er durch die
Tür. Während er die Gänge entlanghastete, überschlugen
sich seine Gedanken. Er musste Melica erklären, dass er gelogen
hatte, unbedingt! Sie durfte nicht über seine Gefühle für
sie nachdenken, durfte nicht abgelenkt sein! Dafür war die
Situation, in der sie sich befand, viel zu gefährlich. Sie
musste konzentriert sein, keinen Fehler machen – ansonsten wäre
sie verloren. Und er würde es niemals ertragen, dass er die
Schuld an ihrem Tod trug. Dem Tod der ersten Person, die er jemals
geliebt hatte.
Er riss die Tür auf,
ohne vorher auch nur anzuklopfen. Dass schon früher Morgen war
und sie mit Sicherheit noch schlief, beachtete er nicht.
Es wäre auch nicht
nötig gewesen. Fassungslos starrte Zane in den leeren Raum. Es
gab nur eine Erklärung, warum Melica ihr Zimmer mitten in der
Nacht verlassen würde und diese Erklärung gefiel Zane
überhaupt nicht. Er ließ die Tür zu Melicas Zimmer
offenstehen, wirbelte herum und rannte so schnell ihn seine Füße
trugen in die Richtung, in der Damians und Dianas Unterkunft lag.
Sekunden später war
er angekommen, hob den Arm, um die Tür einzuschlagen – und
zögerte. Stimmen drangen an sein Ohr, leise, kaum verständlich.
Doch Zane wäre nicht Zane, wenn er sich davon entmutigen lassen
würde. Er presste sein Ohr hart gegen die helle Tür und
hoffte, dass niemand auf die Idee kommen würde, ausgerechnet
jetzt in diesem Gang herumzustreunen. Seine Bemühungen zahlten
sich aus. Zane erkannte Dianas Stimme, so rauchig und schneidend wie
immer. Auch die zweite Stimme kannte er. Vany, diese nervige Plage,
die ihm schon seit ihrem ersten Tag bei den Sarcones ein Dorn im Auge
gewesen war. Es verwunderte Zane nicht im Geringsten, dass sich Diana
und sie so gut miteinander verstanden.
„ Du glaubst, Damian
zieht das wirklich durch?“, fragte Vany atemlos.
Zane verzog angewidert das
Gesicht, presste sein Ohr aber noch fester an das kühle Holz.
„ Natürlich wird
er das. Der Arme liebt mich viel zu sehr, um mich verärgern zu
wollen“, bemerkte Diana ruhig. Sie schwieg, dann sagte sie mit
einer deutlich hörbaren Begeisterung: „Er ist schon seit
20 Minuten mit ihr in der Kapelle. Vielleicht ist es ja schon
vollbracht.“
„ Glaubst du nicht,
er wäre dann schon lange hier aufgetaucht und hätte dich
angebrüllt?“
„ Wann hat mich
Damian je angebrüllt? Er wird mich nicht für Melicas Tod
verantwortlich machen. Nicht, wenn ich ihm erzähle, ich hätte
nichts davon gewusst.“
„ Das ist genial…“
„ Natürlich ist
es das. Woher hätte ich denn wissen sollen, dass die Hexe Luzius
nicht nur ihre Kräfte, sondern ihre gesamte Lebensenergie zur
Verfügung stellt? Melicas Tod wird ein fürchterlicher
Unfall sein – nicht mehr oder weniger.“
Etwas, das sich anfühlte
wie eine glühende Stahlklammer, schloss sich um Zanes Herz und
ließ ihn nach Luft schnappen. Erst Sekunden später wurde
ihm klar, dass es Angst sein musste, die dafür sorgte, dass er
sich auf den Boden werfen und niemals wieder aufstehen wollte. Zane
und Angst – zwei Begriffe, die wohl niemals irgendwer
miteinander in Verbindung gebracht hätte. Zane fühlte sie
trotzdem, riss die Augen auf. Dann stieß er sich von der Tür
ab.
Im Nachhinein hätte
er nicht sagen können, wie er zur Kapelle gelangt war. Der Weg
war unwahrscheinlich schnell zurückgelegt, alles vor seinen
Augen verschwommen. Jede Faser seines Körpers betete, flehte,
dass es noch nicht zu spät war.
Er riss die schwere Tür
zur Kapelle auf, stürzte hinein. Das, was er dann sah, ließ
ihn beinahe in die Knie gehen. Melica lag in der Mitte des kleinen
Raumes, die Augen geschlossen, das Gesicht regungslos. Damian kniete
über ihr, schüttelte sie, sprach mit verzweifelter Stimme
auf sie ein.
Zane brauchte nur eine
Sekunde, um all das Gute in sich an einen Platz zu verfrachten, von
dem es hoffentlich nie wieder zurückfinden konnte. Alles, was er
fühlen wollte, war Hass. Mit Hass kannte er sich aus, er empfing
ihn wie einen alten
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