Seelensplitter - Marionette des Schicksals (German Edition)
der sich seine Schmerzen anmerken ließ, war
das Training noch härter geworden. Es passierte nicht selten,
dass Melica während einer Übung einfach zusammenbrach und
einige Stunden später auf der Krankenstation erwachte. Von Zane
war in diesen Momenten nie eine Spur zu sehen und allein bei der
Vorstellung, wie er sie in seinen Armen auf die Krankenstation trug,
lief Melica ein Schauer nach dem anderen über den Rücken,
aus Gründen, die sie nicht verstand und auch gar nicht verstehen
wollte.
Der einzige, der Melicas
Gesellschaft gemieden hatte, war Gregor gewesen. Seit dem Abend, an
dem er sie in ihrem Zimmer besucht hatte, hatte er kein Wort mehr an
sie gerichtet. Und auch sie hatte es tunlichst vermieden, ihn
anzusprechen. Natürlich war sie neugierig, was er über das
Amulett wusste, doch wenn sie zwischen der Möglichkeit, etwas
darüber zu erfahren und der Möglichkeit, von Gregor in Ruhe
gelassen zu werden, wählen musste, dann….nun, es reichte
zu sagen, dass ihr die Entscheidung recht einfach viel. Ihre
Verwirrung, ob sie ihn nun mochte oder nicht, war schnell
verschwunden, sodass sie die Antwort auf die Frage klar vor Augen
sehen konnte: nein, sie konnte ihn nicht leiden. Und irgendetwas an
Gregors Verhalten zeigte ihr, dass dieses Gefühl absolut auf
Gegenseitigkeit beruhte. Sie störte sich jedoch nicht daran. Ihr
Leben war gut und auch wenn es nicht ganz perfekt war, war es immer
noch besser als das, was sie vor vielen Wochen im Haus ihres
Großvaters verbringen musste. Allein diese Tatsache hätte
Melica zeigen müssen, dass etwas ganz und gar nicht mit rechten
Dingen zulief. Wäre sie aufmerksam gewesen, hätte sie
vermuten können, dass ihr Leben bald vollkommen aus dem Ruder
laufen würde. Und mit dieser Vermutung hätte sie Recht
gehabt.
Die erste Stunde vom Ende
ihres Lebens begann für Melica mit einem Training bei Zane. Es
war ein Tag wie jeder andere, sie litt, war den Tränen nahe,
biss die Zähne zusammen und starb innerlich tausend Tode,
während Zane sie anschrie, beleidigte und verhöhnte. Nichts
Besonderes also.
Zane hielt ihr gerade
einen Vortrag darüber, wie gefährlich es sein konnte, sich
im Kampf auf andere zu verlassen, als Tizian plötzlich aus der
Farm trat und mit schnellen Schritten auf sie zuging.
Da Tizian sonst alles tat,
um Zane nicht begegnen zu müssen, reichte allein dies aus, um
Melica zu verstören. Das war jedoch nichts im Vergleich zu der
Fassungslosigkeit, die sie empfand, als Tizian Zanes Vortrag einfach
unterbrach und dem Sarcone damit dreist ins Wort fiel: „Du
musst mitkommen, Kleines.“
Da Zane weder überrascht
herumfuhr noch sonst irgendeine Form des Erschreckens zeigte, nahm
Melica an, dass auch er Tizian bereits bemerkt haben musste. Zanes
Augenbrauen schlichen sich in die Höhe, so quälend langsam,
dass Melica das Gefühl hatte, das Herz bliebe ihr stehen, was –
gelinde gesagt – ziemlicher Schwachsinn war.
„ Schade, Barkley. In
den letzten Wochen hatte ich fast geglaubt, du hättest
verstanden, wann du in meiner Gegenwart sprechen darfst und wann du
ruhig sein musst. Ich muss mich ganz offensichtlich getäuscht
haben.“
Tizian zuckte bei Zanes
öligen Worten zusammen, doch Melica sah, dass er sein Bestes
gab, um sich unbeeindruckt zu zeigen. „Ich muss Melica
mitnehmen“, sagte er leise. „Gregor will sie sehen.“
Zanes Augenbrauen
wanderten noch weiter nach oben. „Und deshalb glaubst du,
unterbreche ich mein Training? Melica wird in zwei Stunden zu
erschöpft sein, um weiterzulernen. Dann kann sie meinetwegen so
oft zu eurem Gregor rennen, wie sie will.“
„ Aber…das
geht doch nicht!“, protestierte Tizian stammelnd. „Ich
meine…es ist dringend! Gregor will-“
„ Was Gregor will,
ist nebensächlich!“, grollte Zane auf ihn herab. Wo seine
Stimme eben noch trügerisch sanft war, besaß sie nun die
donnernde Kraft eines Tornados.
Tizian öffnete den
Mund, klappte ihn aber hastig wieder zu, als Zanes Hand zu seinem
Gürtel wanderte. Mit versteinertem Gesicht wandte sich Tizian ab
und trottete davon.
Während seine Augen
Tizian folgten, zogen sich Zanes Mundwinkel leicht nach oben.
Sichtlich amüsiert wandte er sich schließlich zurück
an Melica: „Sie wollen dich alle haben, aber nur einer wird
dich bekommen.“ Und bevor Melica auch nur die Möglichkeit
hatte, über seine seltsamen Worte nachzudenken, fuhr Zane mit
seinem Training fort.
Es dauerte jedoch nicht
lange an. Kaum zehn Minuten, nachdem Tizian wieder im
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