Seelensplitter: Thriller (German Edition)
Notizblock, ein Stifthalter und zwei ähnlich aussehende Steine in der Größe kleiner Hühnereier lagen darauf. Auf ihre Frage hin hatte Carlheim sie als männliche und weibliche Boji-Steine bezeichnet. Über dem Schreibtisch hingen Schwarzweißfotos, die Sigmund Freud mit einigen seiner Schüler zeigten.
Gleich nach Lina kam Astrid Karsow, die sie taxierte, noch bevor sie sich einen Stuhl zurechtschob und Platz nahm. Den leicht zusammengekniffenen Augen nach war sie offenbar etwas kurzsichtig.
»Hallo«, sagte sie dann freundlich und sah sich im Raum um. Astrid war ziemlich groß und kräftig, ein burschikoser Typ. Sie machte einen selbstsicheren Eindruck.
Als Nächste betrat Carolin den Raum. Als sie Lina erkannte, lächelte sie und setzte sich sofort neben sie, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.
Zusammen mit Severin Carlheim kam schließlich der Rest der Gruppe herein, Christina Hansen, Pia Landt, Stefanie Staller, Isabel von Dyke und Paul Ender.
Besonders unsicher wirkte Paul Ender, der mit seinen dezent lackierten Fingernägeln und dem Make-up keinen Zweifel daran ließ, welchem Geschlecht er zugeneigt war.
Auch Christina Hansen signalisierte mit aufdringlichem Parfum, einer extravaganten Frisur und einer gewagten Strumpfhose, dass sie vom männlichen Geschlecht nicht übersehen werden wollte. Sie wirkte wegen des üppig aufgetragenen Make-ups wie eine Puppe.
Isabel von Dyke hatte ihr Outfit ihrem Namen angepasst: edle Gucci-Handtasche, teure Schuhe, teure Jacke. Ihrem leicht spöttischen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien auch für sie dies hier der vollkommen falsche Ort zu sein. Ihre üppigen braunen Haare fielen in leichten Wellen über die Schulter. Einzelne Haarsträhnen drehten sich mehr als andere, und sie wirkte, als wäre sie gerade von einem Strandspaziergang zurückgekommen. Ihr Gesicht mit der feinen Nase und dem etwas zu großen Mund, in dem sich eine Reihe makelloser Zähne verbarg, erinnerte Lina ein wenig an Julia Roberts.
Pia Landt trug eine große dunkelrandige Brille und hatte ihr Haar streng nach hinten gekämmt. Sie zog sofort einen Notizblock aus einer ledernen Mappe, wohl um zu signalisieren, dass sie hier als Intellektuelle ernst genommen werden wollte. Anders Stefanie Staller, bei der die Flecken auf ihrer zerfransten Jeansjacke, ungepflegte Fingernägel und die derben Schuhe darauf hindeuteten, dass sie festen Willens war, während der Sitzungen die kreative Front zu eröffnen. Ihre eher kurzen Haare waren mit Gel in Form gebracht.
Lina fragte sich, ob diese Gruppe eine ganz normale Mischung war, wie man sie in jeder psychotherapeutischen Praxis fand. Eine Erkenntnis allerdings hatte sie dem Therapeuten seit ihrem ersten Termin mit ihm zu verdanken: Wenn die Angst alle diese Frauen angefallen hatte, dann war sie nicht wählerisch. Die Angst nahm sich, was sie kriegen konnte.
»Ich weiß nicht, was ich hier soll«, eröffnete Carolin die Runde.
»Ich schon«, sagte Astrid fast triumphierend und schob den Ärmel ihres Pullovers hoch. Ihr Unterarm zeigte frische und leicht verschorfte Einschnitte.
»Ich schneide gerne an mir rum«, sagte sie und hielt ihren Arm in die Höhe, als wäre er die Eintrittskarte in diese Runde. Sie machte eine Pause, als erwartete sie ein Lob, und wandte sich dann mit einem ironischen Lächeln an den Therapeuten.
»Nicht wahr, Doktor? So sehen sie aus, die Monsterbisse.«
So hatte es begonnen.
4
S ven ist am Telefon. Seine Stimme klingt sehr sicher.
»Carolin wurde tatsächlich mit einem Dildo in die Luft gesprengt. Wobei sie selber das Ding ja in Gang gesetzt haben muss …«
Lina zieht ihre Uniformjacke vom Bügel und sagt: »Ja.«
»Ja? Was ja?«
»Wie bringt man jemanden mit einem Vibrator um? Da muss man sich doch auskennen. Ein Bombenbauer, der es auf Carolin abgesehen hat?«
»So wie es aussieht, gab es nach dem Einschalten des Dildos eine kleine Verzögerung. Das Schwarzpulver war in einer Kapsel und wurde wohl erst durch den sich erwärmenden Motor zur Zündung gebracht. Kinderleicht herzustellen. Das sieht nicht nach einer Profiarbeit aus. Was ist jetzt? Gibt es nichts, was du mir erzählen willst?«
Sven ist gereizt. Doch auf keinen Fall will sie ihn zu nah an sich heranlassen. Zeit gewinnen. Ihm nicht zu deutlich ihre Ablehnung zeigen.
»Habt ihr denn so was wie einen Verdächtigen? Oder eine Spur?«
»Das darf ich dir nicht sagen. Hör zu, wir sollten …«
»Tut mir leid, Sven, aber ich muss jetzt
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