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Seelensplitter: Thriller (German Edition)

Seelensplitter: Thriller (German Edition)

Titel: Seelensplitter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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Kommissarin sein.
    Hätte sie damals nicht das Psychologiestudium abgebrochen und sich gegen alle Ratschläge für den mittleren Dienst entschieden. Das Wort »hätte« gaukelt dem Hirn vor, dass es anders »hätte« laufen können. Unsinn. Sie hatte sich entschieden: für ihren Streifenwagen und ihre Straßen. Da gehörte sie hin. Da konnte sie helfen. Für alles andere kam sie nicht infrage. Für alles andere wäre sie eine Zumutung.
    »Aber mit Ihrem Einser-Abitur können Sie auch ohne Studium hier fast alles werden«, hatte der Personalleiter bei ihrem Bewerbungsgespräch gesagt. Sie hatte den Kopf geschüttelt. Auch als sie ihm nach drei Tagen Bedenkzeit wieder gegenübersaß.
    »Das ist natürlich auch eine Frage der Besoldung«, hatte der neben dem Personalleiter sitzende Personalrat einen weiteren Versuch gestartet. »Glauben Sie mir, die Aufgaben im gehobenen Dienst sind interessanter.«
    Aber Lina wollte durch den Tag und die Nacht fahren. Nicht an einem Schreibtisch in der Enge eines Büros sitzen.
    Sie hatte den Entschluss zum Abbruch ihres Studiums im sechsten Semester getroffen. Und das, obwohl zwei Professoren schon versucht hatten, sie für eine Dissertation zu begeistern. Man würde sie nach Kräften fördern, und auch ein Stipendium sei bei ihren Leistungen kein Problem.
    Leistungen! Das war nicht ihr Verdienst. Sie ist nie eine Streberin gewesen, hat nie viel lernen müssen. Monatelang hatte sie sogar absichtlich Fehler in ihre Klausuren eingebaut, damit sie nur nicht zu sehr auffiel. Schon die Schule war ihr leichtgefallen. Sie hörte zu, begriff und konnte Erlerntes anwenden. Nichts Besonderes. Trotzdem hatte es zu Neid von Seiten der Mitschüler geführt.
    Keine Streberin, kein Studium, kein gehobener Dienst. Und trotzdem ist sie jetzt in genau die Schwierigkeiten geraten, die sie immer vermeiden wollte.
    Sie zeigt dem uniformierten Kollegen am Empfangstresen des Polizeipräsidiums ihren Dienstausweis und erklärt, sie habe einen Termin. Der Mann hinter der Glasscheibe sieht missmutig auf eine Liste, telefoniert und sagt dann: »Frau Andersen, Sie werden erwartet. Im Zimmer 424.«
    Das Wort »Kollegin« wird bereits hier unten am Eingang gestrichen.
    Sie zwängt sich durch die Drehtür und macht dann einen Schritt durch den Metalldetektor. Gegen ihr Handy scheint das Gerät nichts zu haben.
    Sie geht zum Fahrstuhl und drückt den Knopf zum vierten Stock. Im zweiten Stock hält der Aufzug an, und zwei Beamte balancieren Teller mit ihrem Mittagessen hinein. Einer von ihnen drückt auf die Sieben. Kartoffelpüree mit Kassler und Erbsen. Mit Folie abgedeckt.
    »Wir müssen noch mit der Zielfahndung reden«, sagt der eine Beamte. Er trägt ein Schulterholster mit seiner Dienstwaffe über einem hellblauen Hemd. Ein Gürtel hält die abgewetzte Hose und sein Handy eher schlecht als recht.
    Sein Kollege nickt stumm und sieht zur Decke, als würde er da oben nichts Gutes erwarten.
    Lina hat sich eine Strategie zurechtgelegt. Nur das Nötigste über die Therapiegruppe. Das Ganze herunterspielen. Möglichst nicht erwähnen, dass Carolin und auch Astrid in ihrer Wohnung waren.
    Ich muss mich vorsichtig herantasten, denkt Lina. Astrid ist durchaus zuzutrauen, dass sie Sven gegenüber bereits geplaudert hat. Also den Besuch von Astrid doch lieber zugeben. Mit einer Falschaussage zu beginnen kommt nicht gut an. Wichtig ist: Die Therapie und alle damit einhergehenden Details herunterspielen.
    Wenn es gut läuft, erfährt sie, was Sven und seine tapferen Jungs bislang herausgefunden haben. Und wie tief sie selber schon drinhängt.
    Nach dem Termin runter in den ersten Stock zur Internen Ermittlung. Befragung und Protokoll zu ihrem Schusswaffengebrauch. Sie möge vorbeikommen, wenn sie oben fertig sei, hat die Sekretärin gesagt.
    So arbeitet ein normaler Mensch Probleme ab. Stück für Stück.
    Lina steigt aus dem Fahrstuhl und muss unwillkürlich lächeln. Als sie noch mit Sven zusammen war, hat sie immer wieder versprochen, sich seinen Arbeitsplatz anzusehen.
    »Vielleicht kommst du auf den Geschmack«, hatte er gesagt. »Irgendwie werden wir dich schon rausbekommen aus der Uniform.«
    Eine Zusammenarbeit mit Sven. Das hätte gerade noch gefehlt!
    Sie verlässt den Aufzug. Die Flurfenster bilden eine riesige Glasfront, die einen grandiosen Blick auf Hamburg eröffnet.
    Unter ihr die Spielzeuglandschaft, über ihr Wolkenfetzen am Himmel, die hinaustreiben Richtung Nordsee. Jetzt im April gewinnt die Sonne an

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