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Seelensplitter: Thriller (German Edition)

Seelensplitter: Thriller (German Edition)

Titel: Seelensplitter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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ihre Bilder finden würde. Was so ein Therapiegerede aber gegen ihren Verfolgungswahn ausrichten könnte, nein, das sei ihr nicht klar. Dabei fixierte sie weiter den Therapeuten, der interessiert zuhörte, keine Miene verzog und sich mit den Fingerspitzen durch den grauen Vollbart fuhr.
    Lina schloss sofort den schwulen Paul Ender in ihr Herz, obwohl der außer einem schüchternen »Hallo« noch gar nichts gesagt hatte. Während die anderen Mitglieder der Therapiegruppe sich bemühten, einen möglichst einwandfreien ersten Auftritt hinzulegen, saß er mit aufgeregtem und staunendem Gesicht da.
    Ihm war anzusehen, dass er in Gedanken fieberhaft an seiner Eröffnungsrede feilte. Als er an der Reihe war, war er so nervös, dass er nur den Kopf schüttelte, auf die Tischplatte starrte und leise sagte: »Ich trau mich nicht, in der Öffentlichkeit Frauenkleider zu tragen.« Außerdem sei er unfähig zu festen Beziehungen, obwohl ihn häufiger Partnerwechsel anwidere. Andererseits treibe es ihn immer wieder zu gefährlichen anonymen Sexabenteuern, nach denen es ihm dann hundeelend gehe. Abschließend meinte er: »Entschuldigung, aber so ist es nun mal.«
    Lina hatte vage über eine nicht verarbeitete Beziehung gesprochen, weil sie hier ja schließlich auch etwas bieten musste, wenn sie keine tiefergehenden Fragen provozieren wollte. Ein Exlover, von dem man nicht lassen kann, passt immer, dachte sie. Außerdem war das nicht einmal gelogen. Die Beziehung mit Sven war zwar nur der Anlass für die Therapie gewesen, aber mit dieser Geschichte konnte sie die Runde ein paar Monate beschäftigen. Sie durfte sich nicht auf den psychologischen Seziertisch legen und weitere Nachfragen einfach nicht zulassen. Nicht auffallen . Eine Frau mit normalen Problemen sein.
    Eine Strategie, die schon am ersten Abend nicht aufging.
    Astrid sah sie nach ihrer Geschichte herausfordernd an und sagte: »Ist das etwa alles?«
    »Eigentlich wollte ich mir noch etwas aufheben«, sagte Lina. »Ich wäre fast überfahren worden, und in diesem kurzen Augenblick habe ich etwas sehr Vertrautes gespürt. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr verschwindet es.«
    »Todeserfahrung?«, fragte Astrid. »Mal ein Highlight!«
    »Ich hatte das Gefühl, mich durch die Augen des Fahrers sehen zu können. Und dass er direkt auf mich zuhält. Dass ich auf mich … Ich weiß, das ist Unsinn.«
    Auch dies war nicht gelogen und als Häppchen gerade so groß, dass man sie in Ruhe ließ.
    Gleich nach Ende der ersten Sitzung bildeten sich im Flur vor der Praxis Grüppchen. Astrid warf sich Paul Ender an den Hals. Der war über die unerwartete Sympathiebekundung sichtlich überrascht. Mit seiner runden Brille, die ihm das Aussehen eines grauhaarigen John Lennon verlieh, stand er inmitten der Frauen und war froh, die erste Runde unbeschadet überstanden zu haben.
    So hatte es begonnen.
    Für Lina war das alles fremdes Terrain. Sie würde zwar Svens Gewalt und die Demütigungen nicht vergessen können, aber die Gruppe würde ihr helfen, diese Beziehung endgültig hinter sich zu lassen. Mit jedem Tag ein wenig mehr. Niemand konnte sie zwingen, über das Andere zu sprechen.
    Doch schon in der zweiten Runde wollte eine Teilnehmerin mehr wissen.
    »Erzähl mal was über deine Kindheit«, forderte Isabel sie auf.
    »Keine schlechte Idee«, stimmte Severin Carlheim zu.
    »Alles bestens«, sagte Lina. »Liebevolle Eltern, haben sich immer gekümmert. Keine Probleme in der Schule. So weit alles normal.«
    Dann hob sie die vor ihr liegende Sonnenbrille ein paar Zentimeter hoch, legte sie nach ein paar Sekunden sanft wieder auf den Tisch und sagte: »Im Moment hab ich aber wirklich andere Probleme.«
    Wenn die Löwen um dich herum hungrig sind und du nicht willst, dass sie dich fressen, dann musst du sie füttern, dachte Lina. Außerdem tat es ihr gut, über Sven zu sprechen. Und es half, nie mehr die Wohnungstür zu öffnen, wenn er wieder mal Sturm klingelte. Nicht wieder weich werden. Auch wenn sie sich über etliche Monate etwas vorgemacht hatte: Solch ein Liebhaber war keinesfalls der bequemere Weg. Im Gegenteil. Er sorgte dafür, dass die Dinge komplett in Unordnung gerieten und sie Gefahr lief, das Eine aus den Augen zu verlieren. Und genau das durfte nicht passieren.
    7
    D er ermittelnde Hauptkommissar wollte Antworten von ihr, also auf ins Präsidium.
    Kein fremdes Revier, sagt sie sich. Red dir das nicht ein. Du könntest im Polizeipräsidium sitzen und bereits

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