Seelensplitter: Thriller (German Edition)
sich dann mit voller Breitseite abzuschießen. Von solchen Abenden und Nächten hatte Astrid erzählt, und auch von ihrer Aggressivität, die jeder abbekam, der in der Nähe stand, besonders Männer, die in der Betrunkenen leichte Beute sahen.
Menschen, die sich in einer Gruppentherapie begegnen, sollten sich nach Ende der Therapie nie wieder sehen, denkt Lina. So etwas sollte vorher vereinbart werden.
Sie fährt ihr Notebook hoch und sucht nach Mitteilungen der Pressestelle der Polizei.
Nichts zu der Toten, die sich in die Luft gesprengt hat. Auch die örtlichen Zeitungen und Rundfunksender melden nichts auf ihren Online-Portalen. Da eine Frau, die auf eine solch grausame Art umgekommen ist, sicher eine fette Schlagzeile bringt, kann das nur bedeuten, dass die Polizei noch nichts herausgegeben hat. Also woher weiß Astrid von dem Blut im Schlafzimmer? Und von dem explodierten Dildo?
Sollte es diesen ominösen Anrufer mit verstellter Stimme, von dem Astrid gesprochen hat, wirklich geben, so war der- oder diejenige wahrscheinlich am Tatort. Nur so konnte Astrid von dem vielen Blut wissen. Und es würde auch die zugedeckte Leiche erklären. Kann es sein, dass diese Person auch das Foto mit der Nachricht an Lina in den Flur gehängt hatte? Wenn es den Anrufer jedoch nicht gibt, so würde das bedeuteten, dass Astrid in der Wohnung war. Und zwar bevor sie und Alex Carolin gefunden hatten.
Noch etwas lässt Lina keine Ruhe. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Therapie, die sie und Carolin beide besucht haben, und Carolins Tod? Und wie passt zusammen, dass Carolin verschwitzt, gehetzt und in einem völlig desolaten Zustand vor ihrer Wohnungstür stand und wenige Stunden später sauber und gepflegt vom Scheitel bis zur Sohle im Bett lag – als Leiche?
6
M it der freimütigen Präsentation ihres mit Narben übersäten Armes zog Astrid schon in der ersten Gruppensitzung alle Aufmerksamkeit auf sich. Während Lina noch überlegte, wie sie sich in dieser verordneten Vertrautheit überhaupt verhalten sollte, ergriff Astrid sofort die Initiative. Um noch eins draufzusetzen, zeigte sie auf eine Narbe und sagte: »Das da unten war ein dilettantischer Suizidversuch, und außerdem habe ich handfeste Depressionen, die ich …«
An dieser Stelle unterbrach sie der Therapeut: »Astrid, ich denke, wir sind hier als Menschen, nicht als Krankenakten.«
Astrid nickte schuldbewusst, als sei ihr schon klar, dass sie mal wieder den Clown abgegeben hatte, und wandte sich an Isabel.
»Und wie hast du dir die Runde hier eingebrockt?«, fragte sie mit einem Lächeln.
»Ich hab Halluzinationen«, antwortete Isabel.
»Siehst du Elefanten oder Mäuse?«, wollte Astrid wissen. Ihr war anzusehen, dass sie eine Verbündete gefunden hatte. In einer Therapie müssen manche Dinge eben schnell passieren.
»Farben und Gerüche«, sagte Isabel.
Severin Carlheim ging das entschieden zu schnell. Er bestand auf einer Vorstellungsrunde, in der mindestens Name, Alter und möglichst auch die Interessen genannt werden sollten.
»Wir haben viel Zeit«, sagte er und betonte noch einmal, dass die Teilnahme an der Gruppentherapie zwar dringend angeraten, jedoch absolut freiwillig sei.
Carolin kämpfte mit der Angst, von ihrem Mann verlassen zu werden. Christina Hansen hatte sich wegen einer Kaufsucht zur Behandlung entschlossen. Als wollte sie ihr Verhalten erklären, fügte sie hinzu, dass Ästhetik und gutes Aussehen für sie einen wirklich hohen Stellenwert hätten.
»Jeder Mensch kann etwas aus sich machen.«
»Wenn man’s bezahlen kann und sich dabei nicht ruiniert«, konterte Astrid.
Pia Landt rümpfte die Nase und warf ein, dass alle Oberflächlichkeit ihr auf die Nerven ginge. Die geballte Dummheit würde ihr jeden Tag in ihrem Job in der Schule begegnen. Sie hätte Angst, den Herausforderungen nicht gewachsen zu sein. Außer mit Versagensängsten hätte sie mit aus heiterem Himmel kommenden Panikattacken zu kämpfen. »Selbst wenn es mir gut geht. Vielleicht verlange ich von anderen und auch von mir zu viel.«
Stefanie Staller mit den demonstrativen Ölfarbflecken auf ihrem Sweatshirt hatte den Kopf zwischen ihre Schultern gezogen und sah Severin Carlheim an, während sie sprach.
»Die Figuren auf meinen Bildern machen sich selbstständig«, sagte sie, und dass sie das leider manchmal nicht mehr im Griff hätte. Immerhin hätte sie sich noch kein Ohr abgeschnitten, was sie aber sofort machen würde, wenn sie damit solvente Käufer für
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