Seelensplitter: Thriller (German Edition)
der ja einen richtigen Narren an dir gefressen zu haben scheint. Es wartet eine echte Überraschung auf dich.«
»Soll ich jetzt Rätsel raten oder was? Entweder du rückst damit raus, oder …«
»Das kann ich nicht. Noch nicht. Aber ich sage dir, es wird nicht aufhören. Ich brauche noch ein oder zwei Wochen … du wirst dich wundern.«
»Was ist mit dem Foto, das Carolin und mich zeigt?«, fragt Lina. »Du hast in Carolins Namen Abschiedsworte darauf geschrieben. Es ist deine Schrift.«
Astrid sieht sie überrascht an.
»Foto? Ich habe nie ein Foto von dir und Carolin gesehen. Und was für Abschiedsworte?«
»Ein Foto, das auf Hooge aufgenommen wurde. Als unsere ganze Gruppe dort war.«
»Keine Ahnung«, sagt Astrid und schüttelt den Kopf. »Und da soll ich etwas draufgeschrieben haben?«
»Sieht ganz danach aus.«
»Und? Was hab ich darauf geschrieben?«
»Auf Wiedersehen, Lina. Glaub ihnen nicht.«
»Wem nicht glauben? Was soll das heißen?«
»Ich weiß es nicht«, sagt Lina.
Astrid nickt nachdenklich, als würde sie plötzlich ahnen, was das Foto mit Carolins Abschiedsworten bedeutet.
Linas Handy klingelt. Sie drückt den Anruf weg. Kurz erwägt sie, Astrid zu fragen, ob sie Carolins Leichnam abgedeckt hat.
»Ich werde noch ein wenig herumschnüffeln, vertrau mir«, sagt Astrid.
Sie geht ein paar Schritte weiter, bleibt dann stehen und dreht sich noch einmal um.
»Pass auf dich auf, Lina. Es gibt sie wirklich, diese Monster. Und sie sind gefährlich.«
Das Klingelzeichen einer tutenden Dampflok signalisiert Lina den Eingang einer SMS.
Wieder Sven.
»Wir haben Astrid Karsow zur Fahndung ausgeschrieben. Hast du eine Ahnung, wo sie sich aufhält?«
11
D er Ausflug nach Hooge. Lina versucht sich zu erinnern. Was war dort passiert?
Mit einem gecharterten kleinen Fährschiff hatten sie damals nach Hooge übergesetzt. Vorbei an Sandbänken und Halligen, die sich aus der Nordsee hervorhoben und auf denen befestigte Warften den Menschen Schutz vor den Fluten der Nordsee boten.
Unwirklich, dachte Lina und richtete das Fernglas, das Stefanie ihr gereicht hatte, auf die vorbeiziehenden Seehundbänke. Der Kapitän des Kahns gab sich alle Mühe, die Frauen mit Witzen und Anekdoten zu unterhalten.
Wie gern hätte sie einen Schnaps getrunken, um das Schaukeln des Schiffs besser zu ertragen. Doch Alkohol war verboten. »Vereinbarung«, nannte Carlheim das. Die galt auch für diese Gruppenreise.
Da bei Sturmflut Widerstand ohnehin Unsinn war, ließ man den Fluten freien Lauf über das Land und brachte sich auf den Warften in Sicherheit. In den letzten Jahren waren diese Erdhügel und auch die davor liegenden Schutzdämme immer weiter erhöht worden. Als Gefängnisinsel würde sich eine Hallig auch bei ruhigem Wetter nicht eignen, weil die Ebbe alle paar Stunden jedem die Flucht ermöglichte. Trotzdem verstand Lina nicht, dass Menschen hier freiwillig leben konnten.
Die Frauen lachten eher gequält über die Witze des Kapitäns, der sein Bestes gab und sogar dazu übergegangen war, seine »Döntjes« auf Plattdeutsch vorzutragen.
Mit einem Pferdekarren wurden sie auf die Hanswarft in ihr Hotel gebracht. Zwei Nächte hatte Severin Carlheim gebucht: zwei ganze Nächte mitten in der Nordsee!
Nach ihrer Ankunft hatten sie zwei Stunden zur freien Verfügung. Zeit also, die Insel zu erkunden und sich von der turbulenten Schifffahrt zu erholen. Anschließend war ein Gruppentreffen im Hotelcafé anberaumt.
Isabel und Pia verließen während der Zeit auf Hooge das Hotel so gut wie gar nicht. Severin Carlheim hielt sich weitgehend zurück, er betonte, dass es darum ging, einander kennen zu lernen. Und um einen »neuen Blick« auf die Dinge. Niemand erkundigte sich, was er damit meinte.
Auf die Nachfrage hin hatte Lina am Abend wiederholt, eine völlig normale Kindheit in einer Pflegefamilie gehabt zu haben.
»Das kann doch nicht sein«, hatte Isabel gemurmelt und Lina aufgefordert, doch mal etwas genauer zu erzählen, wie es bei ihnen »zugegangen« sei. »Und was war vorher, oder bist du schon als Kleinkind zu Pflegeeltern gekommen?«
Eigentlich ja, dachte Lina. Sie erinnerte sich an kein Vorher, sondern nur daran, dass sie sich vom ersten Tag an ihrer Haut erwehren musste. Und zwar gegenüber einem Bruder, den sie in der Gruppe nur einmal und eher beiläufig erwähnt hatte.
Nach kurzer Zeit machte sich in der Gruppe auf der Warft der Inselkoller breit.
Pia und Christina hatten Weinkrämpfe, Astrid
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