Seelensplitter: Thriller (German Edition)
stehen Dutzende von Ratgebern, in denen abgegriffene Merkzettel stecken, etwas unordentlich davor diverse Nippes-Figuren und eine afrikanische Maske. Kaufhausware, denkt Lina und nimmt die aus Holz geschnitzte und lieblos bemalte Maske, die ein Frauengesicht mit einem spitz geöffneten Kussmund darstellt, in die Hand. Als sie sie anhebt, fällt ein streichholzschachtelgroßer Plastikwürfel mit einer Kameralinse hinunter. Ausgeklappt ist eine kleine Funkantenne, die die Bilder wahrscheinlich auf einen Computer sendet.
Was hatte Carolin mit der Kamera aufgenommen? Oder wurde sie womöglich ausspioniert? Die Linse zeigt zum Flur. Nicht gerade spektakulär. Lina untersucht die Maske genauer und entdeckt eine Öse, an der man sie aufhängen kann. Sie geht ins Schlafzimmer, kann aber keine entsprechende Halterung entdecken. Sie fährt mit der Hand über die Wände und wird schließlich genau gegenüber dem Bett fündig. Möglich, dass die Maskenkamera genau hier hing. Aber was sollte das? Carolin war sicher nicht der Typ Frau, der sich beim Liebesspiel filmte. Undenkbar.
Lina geht zurück ins Wohnzimmer und wirft einen Blick auf den Schreibtisch. Netz- und Stromkabel deuten darauf hin, dass hier ein Computer stand. Der war wohl zur Auswertung ins Präsidium geschafft worden. Sie öffnet die obere Schreibtischschublade. Sie ist randvoll mit Notizzetteln gefüllt. »Lebe den nächsten Tag, als wäre es dein erster«, liest sie, »Im Prozess des Loslassens erst blüht die wahre Liebe auf«, »Kosmische Liebe zeigt sich in Liebe zu allen Dingen«. Glückskeks-Prosa. Auf einem anderen Zettel steht der Name »Jakob«. Lina greift tiefer in die Lade hinein und findet einen Zettel, auf dem »Club Chica« und eine Adresse auf der Reeperbahn steht. Daneben hatte Carolin »Wir alle?« notiert.
»Du suchst sicher das hier«, sagt plötzlich eine bekannte Stimme hinter ihr.
Lina zuckt erschrocken zusammen und fährt herum. Vor ihr steht Sven Emmert und hält eine Plastiktüte mit einem weiteren Zettel in die Höhe. »Lina, traust du uns etwa nicht zu, dass wir unsere Arbeit vernünftig machen?«
Da liegst du nicht ganz falsch, würde Lina am liebsten sagen, doch sie antwortet tonlos: »Erwischt.«
»Kann man wohl sagen. Wie wolltest du denn das Dienstsiegel vor der Tür wieder in Ordnung bringen? Mit Nagellack?«
»Hab ich noch nicht drüber nachgedacht, du weißt, wie unüberlegt ich sein kann. Was ist das?«
Sie zeigt auf den Zettel in der Tüte, die Sven immer noch in der Hand hält.
»Das Zettelchen hier?«
»Nein, deine geschmacklose Krawatte! Also?«
»Es geht dich zwar nichts an, aber vielleicht spielen wir das Spiel: Ich geb dir was, wenn du mir was gibst.«
»Ich lasse dir den Vortritt«, sagt Lina. »Also? Des Rätsels Lösung?«
»Es ist die Quittung über einen im Versandhandel gekauften Dildo.«
»Na und? Ist es der Dildo?«
»Wir ermitteln noch.«
»Das hast sicher du übernommen. Mit Sexspielzeug kennst du dich ja aus.«
»Du bewegst dich auf sehr dünnem Eis«, sagt Sven. »Dieses kleine Stück Papier ist der Grund, warum wir deine Freundin Astrid zur Fahndung ausgeschrieben haben.«
»Meine Freundin?«
»Oh ja. Aber eins nach dem anderen.«
»Den Dildo hat Astrid Karsow anscheinend bestellt. Ihre Anschrift ist jedenfalls als Lieferadresse angegeben.«
»Lass mich raten. Diesen Zettel habt ihr hier in der Wohnung gefunden.«
»Jeder Täter, pardon, jede Täterin macht Fehler.«
»Na, das ist ja wunderbar. Zumal deine Täterin demnach die Intelligenz eines Schuhkartons haben muss. Wieso kreuzt du eigentlich hier auf?«
Lina bemüht sich um ein ironisches Lächeln, als sie hinzufügt: »Werde ich vielleicht observiert?«
»So eine Observation ist teuer, und Personal ist knapp.«
»Du bist also zufällig hier. Und du hast zufällig das wichtige Beweisstück in der Tasche?«
»GPS«, sagt Sven.
»Du hast mein Handy geortet?«
»Himmel, Lina. Du steckst in dieser Sache drin, und ich mache mir einfach Sorgen. Arbeite mit mir zusammen, und wir können diese Spielchen lassen.«
Du spielst mit mir, seit wir uns das erste Mal getroffen haben, denkt sie. Doch sie tut so, als würde sie über seine Worte nachdenken. Es ist zu früh, jetzt dichtzumachen. Sie braucht Informationen. Sie muss herausfinden, wie weit die Mordkommission tatsächlich ist und ob diese lächerliche Quittung und die Handschrift auf dem Foto alles ist, was sie gegen Astrid in der Hand haben.
»Und?«, fragt Sven. »Was hast du
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