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Seelensplitter: Thriller (German Edition)

Seelensplitter: Thriller (German Edition)

Titel: Seelensplitter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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das wirklich antun müssen.«
    »Sie sind Therapeut. Sie wissen, dass es unmöglich ist, ein Leben lang die Augen vor dem zu verschließen, was passiert ist. Es holt mich ein. In meinem Träumen, in verschlüsselten Bildern. In schrecklichen Bildern. Ich will endlich die Geschichte erfahren, die dazugehört.«
    Carlheim schweigt einen Augenblick.
    Dann sagt er: »Es ist eine schwere Entscheidung für mich. Ich denke, wir werden es so machen: Überlegen Sie sich gut, ob Sie weiterleben können, ohne sich mit den Details aus Ihrer Vergangenheit zu konfrontieren. Sehen Sie sich Oviedo an, es ist eine wunderschöne Stadt. Gehen Sie spazieren. Genießen Sie die Sonne. Kommen Sie übermorgen wieder, und ich werde Ihnen die Papiere geben, wenn Sie sie dann immer noch haben wollen.«
    Lina ist einverstanden. Für einen Tag kann sie noch ihr altes Leben führen. Es sich ansehen. Sich davon verabschieden. Doch die Situation ist bedrohlich und unheimlich. Zwei Frauen wurden umgebracht, und ihr ehemaliger Therapeut warnt sie vor etwas, was ihr vor langer Zeit widerfahren sein muss.
    Lina erhebt sich von dem Empiresessel, der über eine erstaunlich gute Polsterung verfügt, und reicht Carlheim die Hand.
    »Wir sehen uns übermorgen. Und ich werde jede Entscheidung akzeptieren, Lina. Versprochen.«
    28
    A ls Lina am nächsten Morgen aufwacht, stellt sie fest, dass sie lange nicht mehr so tief und traumlos geschlafen hat. Die Geräusche von der Straße in der Nacht, vorbeirauschende Autos und vereinzelte Motorräder, hatten beruhigend auf sie gewirkt.
    Vor dem Einschlafen hatte sie kurz an Sven gedacht, der sie hoffentlich in ihrer Hamburger Wohnung wähnt.
    Endlich hält sie einen Faden in der Hand, der verspricht, nicht abzureißen oder sie vor eine weitere verschlossene Tür zu führen.
    Was sie allerdings irritiert, ist Severin Carlheims zögerliche Haltung.
    In den Einzelgesprächen und der Gruppentherapie ist es stets darum gegangen, sich Ängste und Schutzmechanismen anzusehen. Schutzwälle, die über die Jahre ein Eigenleben entwickelten, das Leben einengten, den Blick verdüsterten und Perspektiven verstellten.
    Warum beharrt er dann jetzt so darauf, sie solle es sich reiflich überlegen, ob sie sich die Papiere wirklich ansehen will? Ist es besser, man erinnert sich von allein, ohne die im Dunkeln liegenden Geschehnisse anhand alter amtlicher Unterlagen präsentiert zu bekommen? Wie auch immer, wenn sie diesmal ausnahmsweise Glück hat, kann sie ihre Kindheit und alles, was ihr damals passiert ist, wie ein anderes Leben betrachten, das mit ihr, so wie sie heute ist, gar nichts mehr zu tun hat. Wie staubiger Sperrmüll, den man kopfschüttelnd ansieht und dann wegwirft.
    Lina duscht und geht in den spärlich besetzten Frühstücksraum. Sie bedient sich am opulenten Buffet und bedauert es, dass sie nicht noch einen kleinen Urlaub anhängen kann. Laut Reiseführer sind die nicht weit entfernten Badeorte am Atlantik vielversprechend. Außer Spaniern, die vor der Hitze im Süden geflohen sind, würde sie dort kaum Touristen treffen. Dem Klang der fremden Sprache lauschen, dabei auf andere Gedanken kommen, das wäre jetzt genau das Richtige.
    Lina blättert in einem Prospekt, der die Sehenswürdigkeiten Oviedos auflistet, und macht sich auf den Weg. Zu Fuß und auch mit den städtischen Bussen kommt sie problemlos an die Orte, die sie sich darin angestrichen hat.
    Sie besucht die Kathedrale von Oviedo in der Nähe von Carlheims Geschäft, löst ein Ticket für die Cámara Santa, die Heilige Kammer, in der die wichtigste spanische Reliquiensammlung untergebracht ist. Interessiert besichtigt sie die harmonisch ausgeleuchteten Vitrinen mit der Heiligen Truhe, dem Engels- und dem Siegeskreuz.
    Eine weitere Station ist die präromanische Kirche San Miguel de Lillo, danach macht sie Pause in einer Sideria und probiert dort das asturische Bohnengericht Fabada. Dazu wird ihr ein Sidra aus der Region serviert, und sie bedauert es sehr, dass sie ihn nicht annehmen kann, weil sie Apfelwein nicht verträgt.
    Lina kann sich gar nicht erinnern, wann sie zuletzt einen so unbeschwerten Tag verbracht hat. Sie denkt an den Faden, der auf sie wartet und an dem sie nur noch ziehen muss, um endlich zu verstehen.
    Gut zwei Stunden verbringt sie im Zentrum für moderne Kunst, bevor sie sich auf den Rückweg zum Hotel macht. Sie trinkt in der Hotelbar zu viel Sherry und geht dann noch einmal hinaus, um in einer Tapas-Bar Schinken zu essen und Rotwein

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