Seelensplitter - Unsterblich wider Willen (German Edition)
ihren zitternden Händen und fiel zu Boden.
Laut drang das Geräusch zerbrechenden Glases an ihre Ohren, doch Melica achtete nicht darauf. Stattdessen öffnete sie langsam die Augen, das Gesicht vor Entsetzen verzerrt. Sie musste nicht auf den Boden sehen, um zu wissen, dass das blaue Haarbüschel verschwunden war. Die Phiole war nun wirklich leer.
Ein lautes Klingeln durchbrach die Stille. Melica fuhr erschrocken zusammen, blickte sich um. Sie betete, dass sie sich das Klingeln nur eingebildet hatte.
Jonathan hatte immerhin gesagt, dass niemand kommen würde! Also konnte das doch unmöglich die Klingel gewesen sein!
Aber ihre Hoffnung zerplatzte wie eine Seifenblase im stürmischen Herbstwind, als das Geräusch erneut ertönte, dicht gefolgt von einem besorgten „Jonathan? Bist du zu Hause?“.
Melica rutschte das Herz in die Hose. Was zur Hölle sollte sie denn jetzt tun? Unter normalen Umständen wäre sie wohl ohne zu Zögern zur Tür gestürmt, ob sie den Besucher kannte oder nicht, wäre ganz egal gewesen. Sie hatte noch nie Schwierigkeiten gehabt, neue Menschen kennenzulernen. Das Problem war nur, dass das hier ganz und gar keine normalen Umstände waren.
Sie befand sich in der Wohnung eines Dämons, von dem sie mit ziemlicher Sicherheit sagen konnte, dass er mindestens ein Menschenleben auf dem Gewissen hatte. Dass er die Seele seines Opfers auch noch in seinem Badezimmer aufbewahrt hatte, machte die ganze Sache nicht besser, sondern einfach nur pervers. Und wer wusste schon, wer dort vor der Tür stehen würde? Vielleicht war es ja sogar der Dämon, der schon einmal versucht hatte, sie umzubringen.
„Jonathan?“
In Ordnung. Sie würde erst einmal versuchen, logisch an die Sache heranzugehen. Die Stimme des Besuchers war eindeutig weiblich und klang ziemlich harmlos. Obwohl…konnte eine Stimme überhaupt harmlos klingen? Und was, wenn sie sich irrte?
Melica seufzte leise. Irgendwie halfen ihr diese Überlegungen auch nicht wirklich weiter. Eigentlich, so meinte sie, blieb ihr nur eine einzige Möglichkeit. Und diese sah nun einmal vor, dass sie die Tür öffnete und dem Besucher erklärte, dass Jonathan gerade nicht da war und dass er gefälligst ein anderes Mal wiederkommen sollte.
Melica wusste, dass dies ein riesiger Fehler sein könnte. Natürlich konnte auch jemand Gefährliches vor der Tür stehen, entschlossen, ihr Schaden zuzufügen. Was sollte sie dann machen? Die Tür wieder zuschlagen, davonstürmen und aus dem Fenster springen? Nach dem, was sie gesehen hatte, befand sich Jonathans Wohnung im dritten oder vierten Stock. Herunterspringen war also vielleicht doch keine so gute Idee.
Langsam verließ sie das Badezimmer und schlich vorsichtig auf die Eingangstür zu.
Sie atmete tief ein, bevor sie genug Mut aufbrachte, um ihre Hand um den schwarzen Türknauf zu legen und vorsichtig zu ziehen.
Warme, braune Augen blickten ihr verdutzt entgegen, eingerahmt von einem Paar dichter, schwarzer Wimpern. Sie gehörten zu einer Frau, die unbestreitbar schon viele Geburtstage gefeiert haben durfte. Tiefe Falten zierten ihr rundes Gesicht und die grauen, lockigen Haare waren dermaßen auffällig frisiert, dass Melica unweigerlich an Jonathan erinnert wurde.
Jedoch verschwand jegliche Ähnlichkeit der beiden in Sekundenschnelle, als sich ein breites Lächeln um ihren faltigen Mund legte.
„Wurde ja auch Zeit, dass sich der Professor endlich mal nach einer netten Freundin umsieht“, verkündete sie strahlend.
Melicas Anspannung schwand augenblicklich. Eine Frau, die so lächeln konnte, konnte doch gar nicht böse sein. Eine Spur Erleichterung trat auf ihr Gesicht und sie erwiderte das Lächeln der fremden Frau zögerlich.
Erst dann wurde ihr bewusst, was sie gerade gehört hatte. „Professor? Freundin?“, fragte sie wenig intelligent. „Hä?“
Die Frau zwinkerte ihr zu. „Mach dir keine Sorgen, Liebes. Euer Geheimnis ist bei mir in Sicherheit. Haben deine Eltern ein Problem mit eurer Beziehung? Ist der Professor ihnen zu alt?“ Sie seufzte theatralisch und schüttelte den Kopf. „Ach, warum muss das alles nur so kompliziert sein? Das war schon zu meiner Zeit so, musst du wissen. Dabei ist die Liebe doch so einfach! Und der Professor ist ja so ein hübscher, freundlicher Mann…“
Melicas Augen waren während der Rede immer größer geworden, sodass sie nun zweifellos so aussehen musste wie eine auf Drogen gesetzte, magersüchtige Kuh.
Sie nickte dümmlich. „Auch, wenn
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