Seelensturm
sorgenfreies Leben. Glaub mir, es ist besser so.«
»Amy! Amy! Immer höre ich Amy! Habe ich nicht auch ein Recht? Ist dir mein Leben nicht auch wichtig?«, forderte ich ihn heraus.
Sein Blick wurde kühl und ich spürte, wie Ärger in ihm aufkam. »Sei nicht ungerecht, Jade. Deine Schwester ist nun mal die Illustris. Sie kann nichts dafür.« Sein Ton war herzlos.
Es tat weh. Seit ich von der ganzen Sache mit den Illustris wusste, drehte sich alles nur noch um Amy. Ich war eifersüchtig, dabei wollte ich nur seine Anerkennung. Ich wusste, dass er mich liebte, doch warum musste ich auf alles verzichten und er erlaubte sich seine Liebe. Ich wollte nur meine Freundschaft zu Tom und selbst die durfte ich nicht behalten. Konnte ich so leben? Ich hatte keine Ahnung, was ich glauben, fühlen oder denken sollte. Den Überblick hatte ich schon lange verloren. Aus meinem geordneten und schönen Leben war pures Chaos entstanden.
Meine Haltung zu ihm veränderte sich. Ich sah in ihm nicht nur den liebevollen Onkel. Jetzt erkannte ich die Kälte und seinen Egoismus. Wäre es vielleicht anders, wenn er wüsste, dass ich auch eine Illustris bin? Ich senkte meinen Blick. Ich wollte nicht weiter darüber nachdenken. »Was ist mit Mr. Chang, Agnes und den Sicherheitsleuten?«
Er richtete sich wieder auf und lehnte sich an den Schreibtisch. »Chang wird uns begleiten, Agnes ist krank, … sie werden wir leider nicht mehr sehen, was mir sehr leid tut, aber so ist auch sie in Sicherheit. Uns begleiten werden nur Clive, Terry und Frank. Sie haben die größte Erfahrung. Die anderen werde ich heute Nacht entlassen.«
»Und unser Haus?«
Onkel Finley sah sich um. »Auch mir fällt es schwer, aber ich wusste, dass wir eines Tages von hier fortgehen müssen.«
Nachdenklich stand ich auf und lief langsam zur Tür.
»Jade!« Er sah mich lange an. »Kümmere dich um deine Schwester.«
Ich starrte schon eine Weile aus dem Fenster im Wohnzimmer, sah der Sonne beim Untergehen zu. Die wichtigsten Dinge hatte ich gepackt. Alte Fotos, meinen Plüschhasen aus Kindertagen, einige Schmuckstücke, mein Lieblingsbuch und meinen iPod. Viel war es nicht, aber den Rest konnte ich getrost hier lassen.
Amy würde da mehr Zeit und vor allem mehr Taschen brauchen. Ich hatte meinen großen, schwarzen Rucksack gepackt. Noch in dieser Stunde würden wir hier abhauen. Dass ich mich nicht mehr von Agnes verabschieden konnte, tat sehr weh. Was würde man ihr sagen? Sie machte sich bestimmt Sorgen, wenn sie uns nicht mehr zu sehen bekam und sie feststellte, dass wir einfach über Nacht verschwunden waren. Vielleicht fand Onkel Finley eine Möglichkeit, ihr ein paar Worte mitzuteilen. Ich würde ihn darum bitten, sobald wir in unserem neuen Heim angekommen waren. Ich war mir sicher, dass Luca uns finden würde. Er würde uns aufspüren, das hatte er gesagt. Doch es wäre entsetzlich, wenn er vielleicht nicht mehr der Mann sein würde, den ich kennengelernt hatte. Es könnte sein, dass er schon bald wieder das Monster wäre, vor dem Amy und ich uns verstecken mussten.
Ich war so in Gedanken, dass ich aufschreckte, als ich die lauten Stimmen aus der Eingangshalle hörte. Jemand schrie meinen Namen. Sofort lief ich zur Tür.
»Lasst mich los, ich will zu ihr. Ich muss mit ihr sprechen.«
Eilig rannte ich hinaus in den Gang, um zu sehen, was los war.
»Ihr sollt mich loslassen, sag ich. Jade! Jade!«
Um Gottes Willen! Das war Tom. Frank und Clive hielten ihn fest, sodass er sich nicht rühren konnte. Die Arme hatten sie auf seinen Rücken gepresst, während er versuchte, sich gegen die Gorillas zu wehren. Schon hörte ich Onkel Finley unten und auch Mr. Chang.
»Tom, was machst du hier?«, fragte mein Onkel schroff. Sofort lief ich die Stufen zu ihnen hinunter. »Lasst ihn los, sofort!«, rief ich.
»Jade, ich muss mit dir reden«, presste er hervor, weil Clive seinen Griff nicht lockerte.
»Lasst ihn sofort los!«, rief ich ein zweites Mal und war schon unten angekommen. Clive und Frank warteten auf ein Zeichen von Onkel Finley, erst dann würden sie von ihm ablassen.
»Um Gottes Willen, es ist Tom. Lasst ihn frei!«, bettelte ich und endlich nickte mein Onkel. Clive und Frank entließen ihn aus seiner Haltung und halfen ihm auf. Er schwitzte, seine Hose war verdreckt und sein Hemd war an einer Stelle zerrissen. Er sah mitgenommen aus. Die Schatten unter seinen Augen waren noch deutlicher als vor ein paar Tagen. Er rieb seine Handgelenke, die durch
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