Seelensturm
weißt doch, was vielleicht passieren wird, oder hast du vergessen, in welcher Gefahr wir sind?«, begann ich.
»Nein, das habe ich nicht vergessen und deshalb brauchst du dir auch keine Sorgen zu machen. … Wir werden morgen früh von hier fortgehen und … Alegra wird mit uns kommen.«
»Was?!«, rief ich lauter aus, als ich wollte. »Wann hattest du vor, uns das zu sagen?«
»Beim Abendessen«, sagte er, ohne dabei aufzusehen.
»Du willst fliehen? Mit ihr? Und wieso nimmst du sie mit? Ich dachte, es wäre zu gefährlich?«, entfuhr es mir und ich hatte Schwierigkeiten, meine Wut zu unterdrücken.
»Hast du ein Problem damit?«, fragte Onkel Finley völlig ruhig.
»Ob ich ein Problem damit habe? Ja, natürlich habe ich ein Problem damit! Du verlangst von mir, ich soll mich von Tom trennen und ihn für immer fortschicken, weil es so gefährlich ist, und du nimmst Alegra mit? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie grausam es für mich war, Tom so zu belügen? Findest du das fair?« Wie konnte er nur? Ich empfand es als völlige Ungerechtigkeit und musste mir Luft verschaffen. Ich stand auf und ging aufgebracht auf und ab.
»Jetzt beruhige dich. Ich weiß, wie schwer es für dich gewesen sein muss. Aber wir hatten keine andere Wahl. Und nein, Alegra weiß nichts und das wird sie auch nicht. Aber ich kann sie nicht gehen lassen. Sie braucht mich, verstehst du?«
»Sie braucht dich?« Meine Stimme wurde schrill und ich hörte mich schon fast wie Alegra in ihren besten Zeiten an.
Endlich legte er die Papiere zur Seite und damit hatte ich nun seine volle Aufmerksamkeit. »Wir vier werden morgen früh von hier fortgehen. Wenn ich mich von ihr trenne, dann könnte das fatale Folgen für sie haben. Außerdem, … liebe ich sie«, gestand er. »Ich kann sie nicht gehen lassen. Wir brauchen uns gegenseitig.«
Ich schnappte nach Luft. »Und was ist mit mir? Hättest du dir nicht einen besseren Plan für Tom ausdenken können, als dass ich mich von ihm trennen musste?«
»Was hätten wir ihm sagen sollen?«
»Was weiß ich, dass wir auf einem anderen Kontinent ein neues Leben anfangen würden«, gab ich sauer von mir.
Onkel Finley stand auf und setzte sich vor mir auf die Tischkante. »Du weißt, dass er keinen Kontakt zu uns haben darf. Es wäre einfach zu gefährlich für ihn gewesen. Er hat Familie. Menschen, die ihn lieben und die er nicht einfach verlassen würde. Bei Alegra ist das anders. Sie ist völlig allein. Sie hat niemanden mehr.«
Natürlich, so einfach war das. Ich fühlte mich hintergangen. Hinzu kam mein schlechtes Gewissen und der Schmerz des Verlustes, der an mir nagte. Und vielleicht auch ein klein wenig Eifersucht.
»Ich dachte, ihr habt euch ausgesprochen, du und Alegra? Hast du immer noch etwas gegen sie?« Er fasste mich an meinen Schultern und sah mich ernst an.
»Nein, hier geht es nicht darum, wie ich zu Alegra stehe. Zwischen ihr und mir ist soweit alles klar, aber ich dachte, du würdest dich von ihr trennen und …«, sagte ich und kämpfte schon mit den Tränen. Vor Wut und Enttäuschung brachte ich kein Wort mehr heraus.
»Vico hat mir eine Nachricht zukommen lassen. Er meinte, die Padre de Luz konnten Aktivitäten verzeichnen. Das bedeutet, dass etwas im Gange ist und wir in den nächsten Stunden fortgehen sollten. Die Nachricht kam heute Nacht. Unser Flieger steht, wir müssen nur den Startschuss geben und schon sind wir weg.«
»Aber? … Was genau …?«, stammelte ich.
»Das kann ich dir nicht sagen. Fakt ist, wir gehen. Bis dahin habt ihr Zeit, eure wichtigsten Sachen zu packen.«
Sekundenlang sah ich ihn an. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass nun der Augenblick gekommen war, an dem wir wirklich für immer von hier fortgehen würden.
»Und wohin?«
»Das sage ich dir, wenn wir im Flieger sind.«
Das würde bedeuten, dass ich Luca wohl nicht mehr sehen würde. Und auch Tom wäre nur noch eine Erinnerung aus schöneren Zeiten. Luca hatte mich gewarnt, er schlug sogar eine sofortige Flucht vor. Und nun saß ich hier und konnte nicht glauben, dass es schon so weit war. Meine aufkommenden Tränen schluckte ich tapfer hinunter. Ich wollte stark sein. Ihm beweisen, dass ich mit der Situation klarkam.
»Wichtig ist, dass wir Amy hier raus bringen. Es wird alles gut werden, du wirst sehen. Und wegen Tom, ... mach dir nicht so viele Vorwürfe. Du hast gezeigt, wie groß deine Gefühle für ihn sind, indem du ihn hast gehen lassen. Er hat ein Recht auf ein
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