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Seelensunde

Seelensunde

Titel: Seelensunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silver Eve
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sich handelte. Es war das Zeichen der Otherkin, der Isistöchter, das geflügelte und gehörnte Ankh-Zeichen, das sich die Mitglieder der Isisgarde in die Haut ätzten. Nur sie durften es tragen.
    Das warf eine Reihe von Fragen auf. Vor allem die, wieso Naphré Kurata, wenn sie Mitglied der Isisgarde war, als Killerin für irgendwelche Unterwelt-Dämonen oder sterbliche Auftraggeber arbeitete, anstatt ihre Kräfte für die Eliteeinheit der Isistöchter einzusetzen.
    Aber da sie das Zeichen nun einmal trug, gab das ihrer Begegnung noch ein ganz anderes Gesicht. Die altägyptischen Götter Isis und Seth – oder Sutekh – waren einander von je her nicht gerade freundschaftlich zugeneigt. Und Sutekhs Gefolgschaft war demzufolge den Isistöchtern spinnefeind, seit mehr als sechstausend Jahren menschlicher Zeitrechnung. Viel wusste man nicht von den Isistöchtern, die sich auf eine direkte Abstammungslinie von ihrer Schutzgöttin beriefen. Die Gemeinschaft hielt sich geschlossen. Isistöchter achteten streng darauf, dass nichts nach außen drang. So viel wusste Alastordurch Roxy immerhin von der Isisgarde: Die Frauen, die ihr angehörten, brauchten fremdes, meist menschliches Blut, um ihre Kräfte zu erhalten. Sie tranken es, allerdings ohne zu töten. Jede von ihnen, die einmal davon gekostet hatte, brauchte es zeitlebens, um zu existieren.
    Unterm Strich musste Alastor also feststellen, dass diese Frau, deren Bekanntschaft er gerade gemacht hatte, ins Lager seiner Todfeinde gehörte. „Wenn Sie schon nicht zum Plaudern aufgelegt sind, machen Sie sich jetzt wenigstens an die Arbeit“, sagte er barsch.
    „Arschloch“, stieß Naphré leise durch die zusammengebissenen Zähne hervor.
    „Ach Gottchen! Ich bin zutiefst getroffen“, erwiderte er ironisch. „Los, grab!“
    Sie warf ihm noch einen bitterbösen Blick zu, dann stieg Naphré zurück in die Grube und machte sich an die Arbeit.
    Alastor schaute ihr über den Rand des Grabes hinweg dabei zu. Sie arbeitete kräftesparend und methodisch. Ihr sportliches Outfit bewährte sich dabei. Es wärmte, wenn es kühl wurde, war aber auch atmungsaktiv, wenn man in Schweiß geriet. Dieses Mädchen wusste, was es wollte, und verstand es, sich auch auf extreme Situationen optimal vorzubereiten, stellte Alastor anerkennend fest. Er konnte sich überhaupt nicht genug über Naphré wundern.
    Die Ratte, mit der er sich vor der Hintertür des Nachtklubs am Abend zuvor unterhalten hatte, hatte ihm Butcher preisgegeben und ihm verraten, wo er zu finden war. Der Kerl hatte auch erwähnt, dass Butcher in Begleitung einer Assistentin sein würde, die früher Butchers Schülerin gewesen war. Dass es sich dabei um eine gefährlich attraktive dunkelhaarige, dunkeläugige Schönheit handelte, hatte der Mistkerl ihm verschwiegen. Auch dass sie gefährlich genug war, um ihren einstigen Lehrmeister kaltblütig abzuknallen.
    Alastor beugte sich ein Stück vor. „Du musst schon ganz schön ausgekocht sein, deinem eigenen Lehrmeister das Lichtauszublasen. Warum hast du das getan? Wolltest du seinen Job erben?“
    Naphré hörte auf zu graben, drehte sich aber nicht nach ihm um. „Wer sagt das denn?“
    Alastor überlegte. Möglich, dass sie das Opfer hätte sein sollen und es geschafft hatte, den Spieß umzudrehen. „Ach so. Der gelehrige Schüler überwindet seinen Meister. Bravo! Er darf stolz auf sich sein.“
    „Das wäre er bestimmt auch, wenn er noch Gelegenheit dazu hätte.“ Ihre Antwort klang wie eine sachliche Feststellung, aber Alastor war überzeugt, dass sie nicht so kühl war, wie sie tat. Dann grub sie weiter, und Alastor ließ sie nicht aus den Augen. Unter ihrer Kleidung konnte er sehen, wie ihre Muskeln arbeiteten, und wieder ging die Fantasie mit ihm durch. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie es sein musste, auf ihrer nackten Haut mit der Hand über diese perfekten Rundungen zu fahren. Mit einem leise gemurmelten Fluch wandte er schließlich den Blick von ihr ab und ließ ihn über die Gräber schweifen, wobei er langsam wieder ruhiger wurde.
    Vor ein paar Hundert Jahren noch hätte er sich dafür geschämt, tatenlos zuzusehen, wie eine Frau sich für ihn abmühte, ohne dass er einen Finger krumm machte. Er war in einer Umgebung aufgewachsen, in der es zum guten Ton gehört hatte, einer Dame die Hand zu reichen, um ihr aus der Kutsche zu helfen. Die Frau, die als seine Mutter gegolten hatte, war als jüngste Tochter einer Familie aus dem Hochadel aufgewachsen, dem

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