Seelensunde
war. Er hatte den Job, sie zu liquidieren, angenommen, nicht um sie zu töten, sondern um ihr keine Wahl zu lassen, ihn zu töten.
Verdammte Scheiße. Oh Butcher, du verdammter Narr!
Naphré klappte den Laptop zu, stellte ihn beiseite und sank in die Kissen zurück. Sie schlug die Hände vors Gesicht und tat etwas, was sie seit sechs Jahren nicht mehr getan hatte.
Sie weinte bitterlich.
7. KAPITEL
Unterwelt, Izanamis Reich
H undert Seelen werde ich mir holen, für die eine, die er mir gestohlen hat.“ Izanamis Stimme klang beherrscht und sanft wie immer. Auch wenn ihre Wut grenzenlos war, war sie kalt wie Eis. Sie hörte, wie hinter ihr die Schritte ihrer Donnergötter auf dem Steinboden hallten, aber sie drehte sich weder zu ihnen um, noch verlangsamte sie die eigenen Schritte. Sie wusste, dass sie ihr folgen würden.
Einst war Izanami die Göttin der Schöpfung gewesen. Jetzt regierte sie als Todesgöttin in ihrem Reich Yomi-no-kuni, ein unterirdisches Labyrinth, das von einem reißenden Strom durchzogen wurde und von Finsternis und Schatten erfüllt war. Den Eingang zu diesem Totenreich verschloss ein gewaltiger Felsbrocken, den kein Mensch, auch nicht mit der stärksten Maschinerie, bewegen konnte.
Izanami hatte sich im Laufe der Zeit an die Dunkelheit Yomis gewöhnt, ja, sie sogar schätzen und lieben gelernt – was damit zusammenhing, dass das Licht und die Unfähigkeit eines Mannes, sein Wort zu halten, sie ihrer Chance beraubt hatten, in die Welt der Lebenden zurückzukehren. Jener Mann war ihr Ehemann Izanagi gewesen. Er war ihr ins Totenreich gefolgt, um sie zu holen. Dazu hatte er versprechen müssen, dass er nicht versuchen würde, sie anzusehen, solange sie nicht freigegeben war. Aber er hatte sein Wort gebrochen. Durch seine Zauberkräfte war es ihm gelungen, Licht ins Reich der Toten und der Finsternis zu bringen. Als er dann Izanami gesehen hatte, verfallen und voller Maden, war er davongelaufen.
Keinem Mann mehr, keinem sterblichen und keinem unsterblichen, hatte sie seitdem ihr Vertrauen geschenkt.
„Es war einer aus der Sutekh-Brut, der die Seele genommen hat.“
„Aus der Sutekh-Brut?“, fragte Izanami im Weitergehen.
„Du meinst, nicht bloß irgendein Reaper, sondern einer von Sutekhs Söhnen?“
„Ich habe es selbst gesehen. Und ich habe ihn gewarnt. Zweimal. Aber entweder hat er die Warnung bewusst ignoriert, oder er hat nicht verstanden, was meine Donnerschläge bedeuten.“
Izanami blieb mit einem Ruck stehen. Ein Seelensammler sollte ihre Warnung missverstanden haben? Er soll nicht gewusst haben, dass diese Seele nicht ihm, sondern ihr gehörte? Auszuschließen war es immerhin nicht. In ihrem ganzen Zorn musste sie diese Möglichkeit einräumen, denn die einzelnen Reiche der Unterwelt existierten recht isoliert voneinander. Es gab kaum einen Austausch. Man wusste wenig voneinander.
Vor langer Zeit hatte Izanami Sutekh einmal einen Gefallen getan und ihn vor einer Bande von Dämonen gewarnt, die den Plan gefasst hatten, sein Reich zu unterwandern. Das war nicht ohne Berechnung geschehen, sondern weil Izanami es für politisch klüger gehalten hatte, Sutekh gegenüber den Schein der Neutralität zu wahren. In den folgenden Jahrhunderten hatte also eine Art Waffenstillstand zwischen ihnen geherrscht. Sutekh hatte ihr sogar eine Gunst als Gegenleistung zugestanden, und den Wunsch hatte Izanami bei ihm noch frei.
Abgesehen davon gab es kaum Kontakte zwischen ihnen. Zu ein paar seltenen Gelegenheiten hatte sie einen Abgesandten zu Sutekh geschickt und ihrerseits den einen oder anderen Besuch von Lokan als Gesandten aus Sutekhs Reich erhalten. Darauf beschränkte sich ihr diplomatischer Austausch auch schon.
Izanamis Bedarf an verlogenen und von sich eingenommenen Männern, die Frauen nicht für voll nahmen, war mehr als gedeckt. Das erste Mal, als sie Izanagi begegnet war, war sie von seinem Aussehen wie geblendet gewesen. Unbefangen war sie zu ihm gegangen und hatte seine Schönheit gepriesen. Aber damit hatte sie die größeren Gottheiten erzürnt. Ihr war gesagt worden, dass sie nicht zu sprechen habe, bevor Izanagi sie anspreche, und dass sie fügsam und zurückhaltend sein müsse, dasonst kein Segen auf ihrer Verbindung liegen könne. In ihrer jugendlichen Unerfahrenheit hatte sie das geglaubt, sich dem unterworfen und dabei selbst verleugnet. Mittlerweile war sie um einige Jahrtausende klüger und weiser geworden. Und so kam es, dass sie mehr Sympathien für Osiris
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