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Seelensunde

Seelensunde

Titel: Seelensunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silver Eve
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sie näher zu sich heran und sprach zu ihnen in vertraulichem, ermutigenden Ton. Ohne Ausnahme missverstanden die Angesprochenen Sutekhs Freundlichkeit und liefen so in dem Bewusstsein, etwas Großartiges vollbracht zu haben, bereitwillig, ja euphorisch ihrem Unheil entgegen.
    Es war nicht so sehr das Schicksal der Betroffenen, nicht einmal Sutekhs hinterhältige List, die Alastor am meisten abstieß. Diejenigen, die sich Sutekh für diese „Behandlung“ auswählte, waren bis ins Mark verdorben und hatten Seelen der finstersten Sorte. Die verspeiste Sutekh nun einmal am liebsten. Mit anderen Worten: Sie verdienten es nicht besser. Das Widerlichste daran war, dass die unwissenden Opfer solcher Bauern- oder besser Seelenfängerei Sutekh unzählige Unschuldige preisgaben, indem sie bereitwillig Namen von Verwandten, Freunden und Bekannten nannten, die alle in Sutekhs großem Buch der ihm geschuldeten Seelen landeten und dem Herrn des Chaos damit schutzlos ausgeliefert wurden.
    Alastor hatte lange genug unter den Sterblichen gelebt, dassihm menschliche Tugenden und Regungen durchaus nicht fremd waren: Vertrauen, Zuneigung, Verlässlichkeit. Als er in den ersten Jahren seiner neuen Existenz an Sutekhs Seite erfahren hatte, wer er wirklich war, als er festgestellt hatte, dass die Zeit in der Unterwelt in ganz anderen Dimensionen verlief als „oben“ unter den Menschen, und begriffen hatte, dass die, die er für seine Eltern und Geschwister gehalten hatte, längst tot waren und er sie nie wieder sehen würde, hatte er sterben wollen. Sein leiblicher Vater Sutekh, der praktisch aus dem Nichts aufgetaucht war und ihn aus seinem irdischen Paradies vertrieben hatte, hatte das nicht zugelassen. Als Alastor gemerkt hatte, dass er um sein Glück betrogen worden war, war es längst zu spät gewesen. Einzig seine Brüder hatten ihm den Mut gegeben weiterzumachen.
    Alastor verscheuchte die trüben Gedanken und wollte sich gerade von der Reihe der Wartenden abwenden, als er unter ihnen eine wunderliche Gestalt entdeckte, die seine Aufmerksamkeit sofort in Anspruch nahm. Sie war von Kopf bis Fuß in ein wallendes Gewand gehüllt, das wie grauer Samt aussah. Obwohl weder Gesicht noch Figur zu erkennen waren, schloss Alastor aus ihrem Gang und der Art, wie sie sich bewegte, dass es sich um eine Frau handeln musste.
    Unbeirrt und ohne sich um die anderen zu kümmern, schritt sie an der Schlange vorbei und ging auf den Eingang zu Sutekhs Audienzsaal zu. Von den Wartenden war nur ein leises Murren zu hören. Aber alle, an denen sie vorbeiging, selbst die niederen Gottheiten, schienen ängstlich vor ihr zurückzuweichen, obwohl nicht zu erkennen war, was sie einschüchterte. Weder war diese merkwürdige Erscheinung besonders groß, noch war zu erkennen, dass sie die anderen in irgendeiner Form bedrohte. Nach einer Weile begriff Alastor, dass es nicht Angst, sondern Ekel war, der sie zurücktrieb.
    Alastors Neugier war geweckt. Er blieb auf seinem Beobachtungsposten und wartete ab, was weiter passierte. Zu seiner Überraschung blieb sie plötzlich stehen und hob den Kopf.
    Obgleich es auch jetzt nicht möglich war, unter ihrer eigenartigen Bedeckung ihr Gesicht zu erkennen, war er sicher, dass sie ihn mit durchdringendem Blick ansah. Es war furchtbar. Die Kälte darin hatte nichts mit der Kälte von Eis oder frisch gefallenem Schnee zu tun. Sie glich nicht einmal der Kälte, die er spürte, wenn Butchers Schwarze Seele seinen Arm streifte. Sie hatte etwas von einem stehenden Gewässer, das nach einem langen Winter allmählich auftaute.
    Als die Gestalt näher kam, nahm Alastor einen infernalischen Gestank wahr, irgendetwas zwischen totem Fleisch und toten Fischen, die länger in der Sonne gelegen hatten. Alastor überkam ein Würgen. Es war mehr als nur Gestank. Wenn er den Mund öffnete, schmeckte er es auf der Zunge. Selbst wenn er den Atem anhielt, schien dieses unsägliche Aroma durch seine Poren zu dringen.
    Als sie direkt unter ihm angekommen war, sah er, dass ihr grauer Umhang nicht aus Samt oder Filz oder einem anderen Stoff bestand. Was sie umhüllte, bewegte sich. Es war lebendig. Ihre Hülle bestand aus unzähligen, sich umeinander windenden, krabbelnden Tieren, winzigen Spinnen, Raupen, Maden, Asseln und Tausendfüßlern. Das rastlose Getier bildete eine geschlossene Hülle, die Gesicht und Körper vollständig umschloss. Selbst Hände und Füße waren nicht zu erkennen. Was sich unter dem Gewürm verbarg, ob es Fleisch und

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