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Seelensunde

Seelensunde

Titel: Seelensunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silver Eve
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„Frag doch endlich Butchers Seele, wenn du etwas Genaueres wissen willst“, meinte er ungeduldig. Er hatte dieses Geplänkel mit seinem Vater satt, und das war auch genau Sutekhs Absicht. Er wollte Alastors Geduldsfaden zum Reißen bringen.
    „Wo ist sein Herz?“
    „Hier.“ Alastor öffnete die Ledertasche. In diesem Augenblick erschien ein Diener neben ihm, der ihm ein goldenes Tablett hinhielt, auf dem er das Herz ablegen konnte. Dem Dienerwaren die Augen zugenäht, die Ohrmuscheln abgeschnitten und die Gehörgänge versiegelt worden. Allein Sutekhs Willen steuerte seine Bewegungen, während der dienstbare Geist weder etwas hören noch sehen konnte.
    Alastor verstand zwar, dass – gerade nach Gahijis Verrat – Grund zur Vorsicht und selbst dem Personal in der unmittelbarsten Umgebung gegenüber Grund zum Misstrauen bestand. Trotzdem verabscheute er Sutekhs Methoden.
    Sutekh hob die Brauen, als er sah, in welch erbärmlichem Zustand sich das Herz befand. „Was soll das? Was hast du gemacht?“
    „Ich kann es nicht ändern“, antwortete Alastor gereizt. Er hatte keine Lust, Erklärungen abzugeben. „Er war schon tot, als ich dazugekommen bin. Tot und begraben. Um an sein Herz und seine Seele zu gelangen, musste ich ihn erst ausgraben.“ Das entsprach natürlich nicht ganz der Wahrheit, aber Alastor wollte Naphrés Mitwirken so weit wie möglich heraushalten.
    Sutekhs Kopf fuhr in die Höhe, als er Alastors Worte hörte. Es kam selten vor, dass er seine Reaktionen so offen zeigte. „Du hast das aus einem Grab genommen?“, fragte er in scharfem Ton.
    Alastor ahnte, dass er jetzt auf der Hut sein musste. „Ist das ein Problem?“
    „Das weißt du ganz genau. War ein Priester bei seiner Beerdigung?“
    „Nein.“
    „Sind Worte an seinem Grab gesprochen worden?“
    Verdammte … Alastor fluchte im Stillen. Das war etwas, woran er bisher überhaupt nicht gedacht hatte. Wenn eine Seele einem bestimmten Gott im Totenreich, egal welchem, geweiht war, hatte auch kein Seelensammler das Recht, sie zu nehmen. Normalerweise tauchte dieses Problem nicht auf, denn er und seinesgleichen nahmen sich die Schwarzen Seelen und die Herzen von den Lebenden, und zudem waren es meist jene, die Sutekh ihnen vorher genannt hatte. Alastor wurde bewusst, dasser sich auf ein Minenfeld begeben hatte.
    Rasch rekapitulierte er die Ereignisse der Nacht auf dem Friedhof. Sicher, Naphré hatte einige Worte aus dem Ägyptischen Totenbuch gemurmelt, als sie vor dem Grab gestanden hatte. Aber da war nichts zu befürchten, zumal ihre Zitate ungenau und verstümmelt gewesen waren. Auf diese Weise hatte sie die Seele keinem Gott befehlen können. Aber was, wenn sie noch etwas anderes gesagt oder getan hatte, bevor er eingetroffen war? Das konnte zu den heikelsten Verwicklungen führen.
    „Ich weiß nichts davon, dass diese Seele einem anderen Gott versprochen ist.“
    Sutekh verzog die Lippen zu einem ungläubigen Lächeln. „Aber dass du nichts davon weißt, bedeutet noch lange nicht, dass sie nicht doch schon versprochen ist. Du hast deine Worte nicht ungeschickt gewählt.“
    „Rate mal, von wem ich das gelernt habe“, konterte Alastor. Bewunderung, Liebe, Verachtung, Hass … Alastors Gefühle für seinen Vater waren voller Widersprüche. Nur eines hatte Alastor überwunden: die Angst, die ihn in der ersten Zeit gequält hatte. Seit er sie besiegt hatte, hatte Sutekh seine Macht über ihn verloren.
    Es war ein langer Prozess gewesen, in dem die Brüder sich gegenseitig unterstützt hatten. Den größten Beitrag dazu hatte Lokan geleistet, der jüngste, kurioserweise auch der weiseste von ihnen. Lokan war es auch gewesen, der ihnen das Lachen beigebracht hat. Für Malthus war es nicht neu. Er hatte diese Fähigkeit nie ganz verloren. Alastor hatte aus seinen Kindertagen wenigstens noch eine Erinnerung daran gehabt. Aber Dagan, der einzige, der bei seinem Vater aufwuchs, hatte in seinem Dasein bis dahin so etwas wie Lachen nicht gekannt.
    „Was du mir hier gebracht hast“, Sutekh deutete auf das goldene Tablett, „sind unvollständige Fetzen. Und die Schwarze Seele ist schon angefault. Sieh sie dir doch bloß an. Die Mühe hättest du dir sparen können.“
    Friss das Ding doch endlich, wollte Alastor, der sich nichterklären konnte, warum Sutekh damit so lange wartete, gerade sagen, als ihm ein beißender Geruch in die Nase stieg. Ohne dass er sich umdrehen musste, wusste er sofort: Sie war da. Die Gestalt, die er von der

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