Seelensunde
Prophezeiung wörtlich zitierte. Dass sie sie kannte, hatte sie schon einmal behauptet, aber er hatte nicht viel darauf gegeben. „Das Blut der Isis“, wiederholte er nachdenklich.
„Vermischt mit dem Blut von Sutekhs Sohn – und Sutekhwird uns erscheinen.“ Djeserit dachte einen Augenblick nach, dann fügte sie hinzu: „Wir müssen Marie zurückbekommen. Du hast sie laufen lassen, du wirst sie finden und wieder hierher bringen.“
Er sah sie kalt an, dann schüttelte er den Kopf. „Die Isisspur in Maries Blut ist zu schwach.“ Aber da gab es ja noch jemanden. „Vielleicht war es etwas voreilig, Naphré Kurata abzuschreiben.“
Djeserit vollführte wieder den Augenaufschlag, den Pyotr so abscheulich fand. „Ein Meinungsumschwung? So schnell?“
„Ja, ein Meinungsumschwung vielleicht, aber nicht ohne triftigen Grund. Wir haben das wertvolle Blut von Sutekhs Sohn. Auf der anderen Seite haben wir uns jedoch immer nur mit Minderwertigem zufriedengegeben. Aber damit kommen wir nicht weiter. Naphrés Abstammung ist die reinste und stärkste, die wir bisher entdeckt haben.“„Über die wir zufällig gestolpert sind, wolltest du wohl sagen.“
Pyotr ignorierte den boshaften Einwurf. Er war viel zu sehr mit seinen neuen Überlegungen beschäftigt. „Sie könnte uns wirklich weiterhelfen. Das wäre schon einige Mühe wert.“ Er dachte an seinen Maulwurf in der Isisgarde.
Alastor gab sich einen Ruck und strich die erotischen Fantasien aus seinen Gedanken. Er war hier, um mit Naphré in die Unterwelt zu steigen. Sie dazu zu bewegen, wurde schwierig genug. Er konnte sich nicht leisten, sich mit Tagträumen aufzuhalten.
Um sich ein wenig abzulenken, sah er sich im Wohnzimmer um. Sein Blick schweifte über Bücherrücken und Regale und blieb an einer Anzahl gerahmter Fotos hängen, die auf einem Stehpult angeordnet waren. Er trat näher. Auf einer der Fotografien erkannte er Naphré als ganz junges Mädchen. Neben ihr stand ein ernster älterer Mann mit weißem Haar. Ein jüngerer, dunkelhaariger Mann, der neben ihm zu sehen war, war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Vater und Sohn, tippte Alastor, vermutlich Naphrés Großvater und ihr Vater. An derWand darüber hing ein größeres Foto. Auch hier war wieder Naphré in jungen Jahren zu erkennen. Ganz offensichtlich ein Familienfoto. Naphré lächelnd, das lange Haar zu Zöpfen zusammengebunden. Rechts und links von ihr die Eltern. Die Mutter war eine wunderschöne Frau mit dunklen Augen und mediterranen Zügen.
Beinahe beschämt wandte Alastor sich ab. Er kam sich wie ein Voyeur vor, obwohl die Fotografien ganz offen und für jeden Gast sichtbar hier hingen. Aber gerade als Gast fühlte er sich nicht, denn er konnte nicht gerade behaupten, dass er von Naphré eingeladen worden war. Er hatte kein Recht, diese Fotos zu betrachten. Alastor war in diesen Dingen streng. Er hätte es auch nicht gern gesehen, wenn jemand in seiner Vergangenheit herumgeschnüffelt hätte. Genauer gesagt in seiner irdischen Vergangenheit. Ihm waren die Erinnerungen an die Familie, die er nun schon vor Jahrhunderten verloren hatte, sehr teuer. Denn ein Teil von ihm trauerte dieser Vergangenheit noch immer nach, der Familie und dem wohlbehüteten, friedlichen Leben, das er in England geführt hatte.
Allerdings war es wirklich nur ein Teil von ihm. Im Großen und Ganzen hatte er sich mit seinem Schicksal ausgesöhnt. Es hatte seine Zeit gedauert, aber schließlich kam er mit seiner Rolle als Sohn Sutekhs gut zurecht. Es bedeutete eine ganze Menge, unter anderem den Gewinn der Unsterblichkeit. Und was das Bedürfnis nach familiärem Rückhalt anging, hatte er seine Brüder. Dass nun einer von ihnen gegangen war, schmerzte deshalb umso mehr.
Seine Grübeleien brachten Alastor auf die Idee, Malthus anzurufen. Wie immer meldete sich nur die Mailbox. „Hier ist Mal. Reden Sie. Wenn ich Lust habe, rufe ich zurück.“ Alastor wollte das Handy gerade wieder einstecken, da meldete sich sein Bruder.
„Warum zum Teufel gehst du nicht ran, wenn du da bist?“, beschwerte sich Alastor zur Begrüßung.
„Ich habe gerade Besuch. Warte mal eine Sekunde.“Alastor hörte im Hintergrund Getuschel, eine Verabschiedung. Natürlich eine Frauenstimme. Dann fiel eine Tür ins Schloss. „So, da bin ich wieder. Ich musste nur kurz Auf Wiedersehen sagen. Was ist los? Du klingst irgendwie angepisst.“
„Angekotzt wäre treffender.“
„Wie das?“
„Nichts weiter. Ich musste einem Mädchen
Weitere Kostenlose Bücher