Seelensunde
zu verdanken. Einschließlich der Tatsache, dass Marie uns durch die Lappen gegangen ist.“
Dass Pyotr an dem Debakel auch seinen Anteil hatte, verschwieg er lieber. Aber er hätte sie keinen Moment vor dem Hintereingang beim Wagen allein lassen dürfen. Darüber hatte er sich keine Gedanken gemacht. Und so hilflos, wie Marie gewesen war, wäre sie ja auch nicht weit gekommen. Nicht im Entferntesten hatte er damit gerechnet, dass Naphré wie aus dem Nichts aufkreuzen würde, um das Mädchen zu retten.
Er begriff es auch jetzt noch nicht ganz. Nach seinen Informationen hatte Naphré Kurata der Isisgarde schon vor Jahren den Rücken gekehrt. Und Marie war so unbedeutend, dass sie praktisch unter dem Radar der Garde flog. Wie hatte es dann zu dieser Intervention kommen können, die ganz nach einemUnternehmen der Isistöchter aussah? Oder hatte sein Geheimdienst versagt?
Es fiel Pyotr schwer, das zu glauben. Seine Verbindungsperson zur Isisgarde hatte Zugang zu sämtlichen Interna, ein Maulwurf an höchster Stelle. Ein ganzes Jahrzehnt lang hatte er nach dieser Quelle gegraben. Und von ihr stammte die Auskunft, dass Naphré längst nicht mehr zur Garde gehörte und dass sie Marie gar nicht auf dem Schirm hatten.
Noch brisanter – und unerklärlicher – war die Anwesenheit des Reapers. Da Pyotr schon mit einem von Sutekhs Söhnen zu tun gehabt hatte, war er sicher, dass nicht irgendeiner aus dem Fußvolk der Seelensammler mit den beiden Isistöchtern entkommen war, sondern ebenfalls ein Sohn des Unterweltfürsten. Pyotr fragte sich, was an den Frauen von derartiger Bedeutung war, dass zu ihrer Rettung ein derartiger Aufwand betrieben wurde.
„Was wird denn nun in dem Polizeibericht stehen?“, wollte Djeserit wissen.
„Dass ein betrunkener Autofahrer drei Menschen getötet hat und durch den Unfall eine Propangasflasche im Kofferraum des Wagens zur Explosion gekommen ist.“ Pyotr war mit sich und der Geschichte, die er gesponnen hatte, recht zufrieden.
„Drei?“
„Ja.“ Die drei Männer, die er sich zur Verstärkung herangeholt hatte, waren alle ums Leben gekommen, als sie versucht hatten, den Wagen zu stürmen, kurz bevor der in Flammen aufgegangen war. Das war höchst bedauerlich, andererseits aber auch von Vorteil, denn diese drei konnten nun nicht mehr ausplaudern, dass ein Reaper eingegriffen hatte. Und Djeserit würde nichts davon erfahren. Sie war erst hinzugekommen, als die Rauchschwaden sich schon verzogen hatten.
Pyotr hatte andere Sorgen. Nach dem Auftritt auf dem Friedhof war es nun schon das zweite Mal, dass ein Seelensammler in Begleitung einer Otherkin auf der Bildfläche erschien. Normalerweise vertrugen die beiden sich wie Feuer und Wasser. Warihm irgendetwas entgangen? Konnte es sein, dass sein Geheimnis gelüftet worden war? Nein, das war ausgeschlossen.
Djeserit wandte sich rasch ab und verschanzte sich hinter ihrem gewaltigen Schreibtisch aus Acrylglas und Edelstahl. Sie sank in ihren Zehn-Tausend-Dollar-Schreibtischsessel, bezahlt mit den Spenden der Mitglieder der Setnakht-Gemeinde. Pyotr wusste genau, dass sie sich damit einen psychologischen Vorteil verschaffen wollte. Er sollte vor ihrem Schreibtisch stehen, wie ein Untergebener vor seinem Chef. Vor einer Woche noch hätte er sie ihre Spielchen spielen lassen und sich höchstens darüber amüsiert. Aber mit dieser Toleranz war es vorbei. Mit einer Armbewegung fegte er über die Tischplatte und ließ einschließlich Laptop alles, was sich darauf befunden hatte, quer durchs Büro segeln.
Djeserit stieß einen spitzen Schrei aus, hatte sich aber gleich darauf wieder in der Gewalt.
„Leider sind wir durch unseren größten Coup aneinander gebunden“, fuhr er sie an. „Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als zusammenzuarbeiten. Wir wissen zu viel voneinander, und keiner von uns beiden würde zögern, den anderen nach seinem allzu frühen Hinscheiden ans Messer zu liefern.“ Er senkte die Stimme zu einem heiseren Flüstern. „Ja, leider, meine liebe Djeserit, werde ich dich so schnell nicht los.“ Vielsagend ließ er den Blick über ihren Hals gleiten. „Jedenfalls nicht bis unsere Mission erfüllt ist.“
„Sutekh wird erscheinen“, murmelte Djeserit. „Er wird hervorkommen ans Tageslicht. So steht es in der Weissagung geschrieben: ‚Das Blut der Isis, das Blut des Sutekh. Dann durchschreitet der Gott die Zwölf Tore und wandelt wieder auf Erden.‘“
Pyotr war im ersten Augenblick schockiert darüber, dass sie die
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