Seelentausch - Ein dunkles Familiengeheimnis (German Edition)
anscheinend freute, wieder in ihre Küche zu kommen. Dahinter schlürfte Lackner, dicht gefolgt von Wolfgang, der seinen Blick nicht von Lackners Nacken nahm. Es war fast, als fürchtete er, dass der Alte noch ein zweites Messer hervorzaubern und damit wild um sich stechen könnte. Ein in sich gekehrter, schweigsamer Peter trottete hinter ihm her, die Tatwaffe in der einen Hand und in der anderen eine Flasche Dressing, die Hannelore für ihren Dip benötigte. Den Abschluss bildete sie. Um sie machte sich momentan wohl keiner mehr Sorgen. Dabei merkte Maren noch immer, wie flau sich ihr Magen anfühlte und wie wackelig ihr Gang war.
Sie gingen hintereinander in das Esszimmer und setzten sich an den Tisch. Hannelore verschwand in ihrer Küche, und kurz danach hörte Maren sie emsig werkeln. Wolfgang stellte eine Flasche und fünf Schnapsgläser auf die Tischplatte. Lackner schenkte sich einen Klaren ein und stürzte ihn gierig herunter. Auch Wolfgang bediente sich.
»Habt ihr es getan?«, wollte er wissen. »Seid ihr auch noch zu Kindsmördern geworden?«
Lackner schaute in sein leeres Glas und lachte freudlos.
»Ich nicht.«
»Und Wilhelm?«, fragte Hannelore, die mit einem großen Teller längs geschnittener Kohlrabi- und Karottenstücke zurückkam.
»Wilhelm hat’s besser hingekriegt«, antwortete Lackner. »Sein Körper machte ihm zunehmend Probleme. Schon als er noch mit Herta zusammen war, verging kein Tag, an dem Wilhelm nicht heftige Schmerzen hatte. Er beschloss also, dass die Zeit reif war, dem Wesen einen Besuch abzustatten. Wir waren seit damals nicht mehr dort gewesen. Wilhelm wollte sich ein Baby klauen, aber es misslang. Was genau geschah, hat er mir nie erzählt.«
Lackner verzog den Mund, als der nächste Klare durch seinen Rachen wanderte. Er atmete laut aus und begann zu kichern.
»Aber der alte Bastard hatte Glück, denn dieses kleine Problem wurde praktisch hausintern gelöst. Kurze Zeit später wurde Hannelore schwanger und Wilhelm wusste, dass seine Zeit gekommen war.«
Wolfgang knallte sein Schnapsglas auf den Tisch.
»Was sagst du da?«, fragte er fassungslos. »Was hat Peter damit zu tun?«
»Die Entführung«, flüsterte Maren. »Peters Verschwinden kurz nach seiner Geburt.«
Sie fühlte sich, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Sollte der eigene Großvater hinter der Entführung gesteckt haben?
Wie zur Bestätigung nickte Hannelore und umklammerte die Hände ihres Mannes.
»Ich habe auch mal kurz mit dem Gedanken gespielt, dass Wilhelm es gewesen sein könnte. Ich nahm an, das wäre seine Art, Abschied von seinem Enkel zu nehmen, bevor er sich mit einer anderen Frau endgültig aus dem Staub machen würde.«
Lackner brummte hämisch.
»Ha! Seine Art, Abschied zu nehmen«, wiederholte er kopfschüttelnd. »Wilhelm hatte mit Peter etwas ganz anderes vor.« Lackner schob sein leeres Glas in die Mitte des Tisches und schaute zu, wie Wolfgang es ein weiteres Mal auffüllte. »Obwohl Abschied nehmen ist vielleicht doch gar nicht so ein falscher Ausdruck«, sinnierte der Greis, als er das Glas wieder behutsam zu sich heranholte. »Bloß eben in einem völlig anderen Zusammenhang.«
Lackner kippte die Flüssigkeit herunter und begann zu erzählen.
22
Karl Gustav kratzte sich über die schlecht rasierte Wange. Was musste ihn Wilhelm auch so früh aus dem Bett holen?
»Und du bist sicher, dass deine Alte hier gleich aufkreuzt?«, fragte er skeptisch. »Du hast doch überhaupt keinen Kontakt mehr zu ihr.«
»Hannelore ist zum Arzt«, sagte Wilhelm und grinste vor sich hin. »Ich hab bei ihr angerufen. Ihr Weichei-Freund war dran.«
»Sie ist schon fast mit ihm verheiratet.«
»Na wenn schon. In meinen Augen existiert dieser Wolfgang überhaupt nicht. Mehr Knecht als Bauer.« Wilhelm holte ein Taschentuch aus seiner Hose und schnäuzte hinein. »Kein Umgang für meine Hannelore.«
»Trotzdem wird deine Tochter ihn früher oder später heiraten. Eher früher, wenn du mich fragst«, orakelte Karl Gustav.
Wilhelm schaute ihn mit gerunzelter Stirn an und nickte.
»Ich hatte kein Glück mit meiner Familie. In jeder Hinsicht.« Er putzte sich die Nase ein weiteres Mal und stopfte das Taschentuch mühsam zurück in die Hose. »Wie auch immer, der Herr Weichei-Freund hat mir gesagt, sie sei zum Arzt. Und es könnte länger dauern. Und deswegen hat Hannelore das Baby auch nicht dabei.«
Karl Gustav stöhnte leise auf.
»Aber das ist doch keine Garantie …«,
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