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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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haben die bloß alle? Glauben die denn, der Mörder ist noch hier, schleicht durch die Flure und wartet nur darauf, sie in die Finger zu kriegen?»
    «Das vielleicht nicht.» Ashworth setzte sich. «Aber Ihre potenziellen Gäste sollten darüber informiert werden, dass Sie hier einen Kleinkriminellen haben, der Ihnen Probleme bereitet. Warum haben Sie mir nichts von den Diebstählen erzählt?»
    «Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass das was mit dem Mord zu tun haben könnte?» Taylor nestelte an seinem Krawattenknoten herum und schaute aus dem Fenster, um Ashworth nicht in die Augen sehen zu müssen.
    «Die Frage sollten Sie wohl anderen überlassen. Ich muss wissen, was hier vorgefallen ist.»
    «Es sind ein paar Sachen verschwunden.» Von Taylors jugendlichem Elan war heute nichts mehr zu spüren. Er sah müde und erledigt aus. Hatten ihn die Sorgen eines Geschäftsführers schließlich eingeholt? «In der Hauptsache aus dem Pausenraum für die Angestellten. So was passiert. Das habe ich im Griff.»
    «Und was unternehmen Sie, damit es aufhört?» Taylor antwortete nicht, und Ashworth fuhr fort: «Sie haben also gehofft, dass sich das Problem von selbst erledigt?»
    «Schauen Sie, in ein paar Tagen ist Louise, unsere Geschäftsführerin, aus dem Urlaub zurück. Sie wird dafür bezahlt, dass sie sich mit den Angestellten herumschlägt. Soll sie das doch in Ordnung bringen. Ich habe gar nicht die Befugnis, Leute einzustellen oder zu entlassen.»
    «Das stimmt jetzt aber nicht so ganz, oder?» Ashworth versuchte, verständnisvoll zu klingen. «Sie haben immerhin Danny Shaw eingestellt, und damit haben die Diebstähle angefangen. Da sind Sie wohl in eine ziemliche Zwickmühle geraten.»
    «Das war eine befristete Einstellung in einer Notlage.» Langsam geriet Taylor aus dem Konzept – nicht wegen der Fragerei, dachte Ashworth, sondern weil er wusste, dass er sich vor seiner Chefin würde rechtfertigen müssen. «Danny geht nächste Woche schon zurück an sein Studium.»
    «Und Sie wollen keinen Ärger mit seiner Mutter», sagte Ashworth. «Die ist ganz schön resolut, hatte ich den Eindruck. Mit der würde ich mich auch nicht anlegen wollen.» Und das war die reine Wahrheit, stellte er fest, als er sich an die dunkelhaarige Karen mit ihrer Schlagfertigkeit und dem zornfunkelnden Blick erinnerte.
    Einen Augenblick lang saßen sie schweigend da.
    «Sie verstehen aber schon, wie wichtig das sein könnte?», fragte Ashworth schließlich. «Wenn Jenny jemanden beim Stehlen erwischt hat, könnte der sie umgebracht haben, um sie zum Schweigen zu bringen.»
    «Aber wegen so einer Bagatelle bringt man doch niemanden um.» Taylor war jetzt kleinlaut geworden, ganz rot im Gesicht, wie ein Schuljunge, der wegen einer Dummheit zurechtgewiesen wurde und nicht die Größe besaß, einfach dazusitzen und es über sich ergehen zu lassen.
    «Glauben Sie mir», sagte Ashworth, «so was passiert immer wieder.» Und ihm schossen Bilder der erbärmlichsten Gewalttaten durch den Kopf: ein mit einer Glasscherbe bis auf den Knochen aufgeschlitztes Gesicht, weil jemand sich eingebildet hatte, er wäre beleidigt worden; eine zu Tode geprügelte Frau, die die Bügelwäsche nicht zur Zufriedenheit erledigt hatte; ein kleiner Junge, der in der Badewanne ertränkt worden war, weil seine Mutter geglaubt hatte, sie wäre verliebt. «Ich muss also ganz genau wissen, was hier vorgefallen ist: was gestohlen wurde und wann. Und ich muss wissen, wer Ihrer Meinung nach dahintersteckt.»
    Am Ende erwies Taylor sich doch als hilfreicher, als Ashworth erwartet hatte. Wenigstens hatte er jeden Vorfall protokolliert, jede Beschwerde, die man ihm vorgebracht hatte, in einen stetig längerwerdenden Bericht in seinem Computer eingegeben.
    «Wer ist also unser Missetäter?», fragte Ashworth, nachdem er den Ausdruck gelesen und die Liste mit den gestohlenen Geldsummen, den Uhren, Ohrringen und Perlen durchgesehen hatte. Es war nichts dabei, was für sich gesehen besonders wertvoll war, aber es läpperte sich. «Sie müssen doch einen Verdacht haben. Glauben Sie, dass Danny dahintersteckt?»
    «Das kann ich mir nicht vorstellen. Er ist ein ziemlicher Draufgänger und putzt nicht gerade überragend, aber dumm ist er nicht. Warum sollte er so was riskieren, für die paar Pfund, die ihm das bisschen Tand einbringt. Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass er klaut.»
    «Wer dann?»
    Taylor sah verlegen drein. «Die anderen Angestellten glauben, dass Lisa es

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