Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
Vom Netzwerk:
man sie da rüberwerfen», sagte er. «Es wäre ein Leichtes.»
    «Für Sie vielleicht. Ich würde sie bloß ein paar Yards weit werfen können. Ins Softball-Team an der Schule bin ich nie gewählt worden.» Sie drehte sich um und ging ihm voran die gekieste Auffahrt zu dem weißen Haus hoch.
    Drinnen frühstückten die Eliots gerade, und zu Veras und Joes Überraschung war auch Hannah da. Sie saßen alle um den Tisch in der schicken Küche, in die Vera bei ihrem ersten Besuch geführt worden war: Veronica, ein elegant gekleideter grauhaariger Mann, von dem Vera annahm, dass es Veronicas Ehemann Christopher war, Simon und Hannah. Hannah trug einen Morgenmantel, ihre Haare waren verfilzt, und sie sah noch nicht richtig wach aus. Simon hatte ihnen die Tür aufgemacht. Die anderen rührten sich nicht. Keiner ließ ein Erschrecken oder auch nur eine Verärgerung erkennen. Es sah aus, als wären sie alle in einer Fotografie gefangen. Auf dem Tisch stand ein Krug mit Blumen aus dem Garten. Es roch nach Bohnenkaffee und warmen Croissants. Das Bild hätte der Hochglanzbeilage einer Sonntagszeitung entsprungen sein können.
    Dass die beiden jungen Leute da waren, brachte Vera aus dem Konzept. Das hatte sie nicht erwartet. Aber sie wollte sich nichts anmerken lassen, zog sich einen Stuhl neben Christopher heran und ließ Ashworth dahinter stehen.
    Simon schien seinen Spaß an der Unterbrechung der familiären Routine und der Verblüffung seiner Eltern zu haben. «Kaffee, Inspector? Oder hätten Sie lieber Tee? Hannah hat gestern Abend beschlossen, dass es in Ordnung für sie wäre, hier zu übernachten, also haben wir gedacht, versuchen wir’s mal.» Er streckte den Arm aus und berührte die Hand des Mädchens.
    In Veras Augen sah Hannah nicht so aus, als hätte sie irgendeine eigene Entscheidung getroffen. «Tee bitte, Herzchen. Schön stark, wenn’s recht ist. Mein Sergeant hier trinkt Kaffee.» Sie wandte sich an Simons Vater. «Wir sind uns noch nicht vorgestellt worden. Ich bin Vera Stanhope, Inspector beim Dezernat für Schwerverbrechen bei der Polizei Northumbria.» Als der Mann nicht antwortete, fügte sie hinzu: «Ich weiß, Sie waren unterwegs, aber Sie haben doch bestimmt gehört, dass hier im Tal jemand ermordet worden ist?»
    «Selbstverständlich.» Die Entrüstung löste ihm schließlich die Zunge. «Hannahs Mutter. Eine entsetzliche Tragödie.» Seine Stimme war sehr angenehm, tief und tragend. Die Stimme eines Sängers.
    «Haben Sie sie gut gekannt?»
    «Gut nicht, nein. Wir sind uns natürlich hin und wieder begegnet, der Kinder wegen.» Er stand auf, wischte sich einen Krümel von der grauen Anzughose und nahm sein Jackett von der Rückenlehne des Stuhls. «Ich fürchte, ich muss los. Ein Meeting um neun.» Sein Körper wirkte jünger als sein Gesicht. Vera fragte sich, ob er wohl zur Fitness ging. Sie hatte sich nicht erkundigt, ob er Mitglied im Willows war, doch wenn sein Name auf der Liste gestanden hätte, wäre er sicher markiert worden. Keine voreiligen Schlüsse, ermahnte sie sich und machte sich eine Notiz im Geiste, das noch nachzuprüfen. Anscheinend hatten alle, die in den Fall verwickelt waren, eine Verbindung zum Willows. Das Hotel war wie das Zentrum einer Spinnwebe.
    «Sagt Ihnen der Name Danny Shaw etwas?»
    Er blieb stehen, die Hand noch auf dem Tisch. Sie konnte sein Rasierwasser riechen. Seine Fingernägel waren penibel gesäubert. «Nein», sagte er. «Ich glaube nicht.»
    Dann ging er hinaus, ohne auf eine Erklärung zu warten, wieso sie das gefragt hatte. Überrascht sah sie ihm durch die offene Küchentür hinterher. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er nach oben ging, um sich die Zähne zu putzen und vielleicht noch ein paar Unterlagen für die Arbeit zu holen. Sie hatte noch Fragen an ihn. Doch stattdessen bückte er sich nach seiner Aktentasche, die in der Halle stand, und trat aus dem Haus. Sie hatte den Eindruck, dass er regelrecht davonlief, und war versucht, ihn zurückzurufen, aber das hätte lächerlich ausgesehen, und schließlich wussten sie ja, wo sie ihn finden konnten. Es war viel besser, ihn im Büro aufzusuchen und dort allein mit ihm zu reden. Dass er am Tag von Jenny Listers Tod außer Landes gewesen war, hatte sie schon überprüft. Nun hörte sie den Motor seines Wagens, das Knirschen der Reifen auf dem Kies.
    Als er weggefahren war, erwachte Veronica zum Leben. «Was ist denn so dringend, Inspector, dass Sie uns zu dieser frühen Stunde stören?»
    «Mord»,

Weitere Kostenlose Bücher