Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
Vom Netzwerk:
getan und sie ihn tun gesehen hatte. Zu vieles stand zwischen ihnen. Sein Wunsch würde niemals in Erfüllung gehen. Sie würde am Ende des Tages keinen abgebrühten Killer mit Blut an den Händen haben wollen. Sondern jemanden, mit dem sie diese Hölle vergessen konnte.
    »Richard, nun stehen Sie nicht bloß rum, ich verdiene ja wohl eine Antwort.«
    »John Drayton hat sich das Leben genommen«, antwortete er. »George hatte nichts mit seinem Tod zu tun. Er hat es mit angesehen. Und das hat ihm gut getan, weil damit ein Schlussstrich gezogen wurde.«
    Sie sah ihn lange an, ihre grauen Augen leuchteten beinahe silbern. Vielleicht gab es für ihn doch eine Chance …
    »Ich bin ein herzloser Bastard«, teilte er ihr in dem Wunsch mit, die Kluft zwischen ihnen zu schließen. »Aber nicht mal ich würde zulassen, dass ein Kind seinen eigenen Vater tötet. Sehen Sie mich etwa so? Bin ich in Ihren Augen ein solches Ungeheuer?«
    Sie drehte sich um und ging. Er schloss die Augen, inhalierte den Rauch des Scheiterhaufens, in den sich die Insel der Göttlichen Na verwandelt hatte. Nun gut, so war das also, nun hatte er die Bestätigung.
    Dann würde sie ihn bald los sein. Sie hatten die Hauptbücher. Nun war es nur mehr eine Sache von Tagen.
    »Richard!«, rief Charlotte.
    Er drehte sich um.
    Sie stand vor der Kajüte. »Sie sind kein Ungeheuer. Sie sind der großmütigste Mann, der mir je begegnet ist. In jeder Hinsicht. Ich wünschte …«
    Sein Puls beschleunigte sich.
    Da sprang Jason Parris an Deck. »Störe ich?«
    Charlotte schloss den Mund.
    Verdammt. Er würde diesen Schwachkopf erwürgen und seinen Kadaver über Bord werfen.
    »Ja.«
    Parris grinste. »Tja, tut mir leid, aber wir sollten unsere Hintern hier rausschaffen.«
    Jasons Leute strömten aufs Schiff und ließen Netze hinunter, um ihre Beute an Bord zu hieven.
    »Mit fünfzig Männern mehr könnte ich die ganze Insel besetzen.« Mit einer ausholenden Geste wies Jason auf die brennende Stadt. »Das hier wäre dann mein Tortuga.«
    Ein Piratennest. Sicher hatte er das aus Büchern. »Adrianglia würde ein Tortuga in der Nähe seiner Küste kaum akzeptieren. Was würdest du unternehmen, wenn die adrianglianische Marine eine Seeblockade über deine Insel verhängt und sie mit waggongroßen magischen Raketen zu beschießen beginnt?«
    »In Deckung gehen?« Jason fletschte die Zähne. »Was ist mit deinem Arm passiert, Alter? Hat der mächtige Jäger diesmal was abbekommen?«
    Charlottes Knie gaben nach, und sie ließ sich an der Kajütenwand aufs Deck sinken.
    Richard schob Jason zur Seite, überwand den Abstand zwischen ihnen und ging in die Knie. »Charlotte?«
    Sie sah ihn mit klarem Blick an. »Gott, wie peinlich.«
    »Alles in Ordnung?«
    »Alles gut«, nickte sie. »Gedemütigt, sonst ist alles gut. Ich hätte mich nicht von hier wegbewegen dürfen. Ich habe den Bogen überspannt. Ich glaube nicht, dass es etwas Lebensbedrohliches ist, aber ich falle wahrscheinlich gleich in Ohnmacht. Lassen Sie mich bitte nicht hier auf Deck liegen.«
    »Bestimmt nicht.« Er legte den rechten Arm um ihre Schulter. Sie lehnte sich gegen ihn, schmiegte die Stirn an seine Wange. Er konnte kaum fassen, dass er sie berührte. »Versprochen.«
    »Na, seht euch die zwei an«, rief Jason über ihnen. »Was für ein mitleiderregender Anblick. Vielleicht solltet ihr euch nach dieser Sache etwas weniger Anstrengendes vornehmen. Eine Teegesellschaft, einen Buchclub oder was Friedhofsgemüse wie ihr in seiner Freizeit so macht. Seht mich an – sechs Mann hinüber, die Stadt geplündert, und mir geht’s super. Und seht euch meine Leute an. Seid ihr groggy, Leute?«
    »Nein!«, erscholl es aus einem Dutzend Kehlen.
    »Seht ihr? Frisch wie der junge Morgen!«
    Richard ließ ein tiefes Grollen hören. Eines Tages …
    Charlotte streichelte seine Wange. Ihre Lippen berührten seine, sodass er vergaß, wo er war und was er gerade tat.
    »Danke«, sagte er.
    Eine ganze Minute rührte er sich nicht, bis ihm schließlich auffiel, dass Charlotte eingeschlafen war.
    Als Charlotte aufwachte, lag sie zugedeckt auf einem Polstersitz. Rings um sie glänzten die polierten Wände des pferdelosen Phaetons im Sonnenlicht, das durch die Gazevorhänge fiel. Hinter glattem, transparentem Kunstharz bestand das Gebilde aus Zahnrädern und filigranen Metallteilen samt glühenden haarfeinen Magiefäden. Matte, warme, bernsteinfarbene und grüne magische Funken glitten wie Glühwürmchen an den Glühfäden

Weitere Kostenlose Bücher