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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Arm steckte noch im Ärmel der Tunika. Würde sie ihn davon befreien müssen? Vor ihrem geistigen Auge erschienen Bilder seines Körpers, Bilder von festen, kräftigen Muskeln unter bronzefarbener Haut. Nein, nein, das kam absolut nicht infrage.
    »Haben Sie ein Messer?«, fragte Charlotte.
    Mit dem Griff voran hielt er ihr eines hin.
    »Perfekt.« Sie nahm das Messer und schlitzte den Ärmel auf, um an den Verband heranzukommen. Dann gab sie ihm die Waffe zurück. Er griff danach. Als seine Finger sie berührten, schlug jeder Nerv in ihr Alarm. Völlig lächerlich.
    Sie entfernte Pflaster und Verband. Die Wunde hatte nicht so stark geblutet wie erwartet. Richard besaß die Gabe bemerkenswert rascher Wundheilung. Sie berührte den Schnitt und ließ den Strom goldener Funken darüberfließen. Richard verhielt sich vollkommen still.
    »Sie dürfen gerne zucken«, sagte sie.
    »Aber nur, wenn Sie versprechen, es niemandem zu sagen.«
    »Ihr Geheimnis ist bei mir sicher.«
    Sie legte die Hände auf die Wunde, ihre Finger berührten den gut definierten Oberarmmuskel, sie kanalisierte ihre Magie, reparierte verletztes Gewebe, heilte Blutgefäße und eliminierte alle Anzeichen einer Infektion. Dann versiegelte sie die Haut, wobei ihr die Tatsache schmerzlich bewusst wurde, dass er nur Zentimeter entfernt vor ihr saß. Am liebsten hätte sie ihm die Tunika vom Leib gerissen. Sie wollte die gebräunte Haut anfassen, mit der Hand über die harten Konturen seines Bauches fahren und seine Brust streicheln.
    »Fertig«, sagte sie.
    »Danke.«
    Ein paar Zentimeter über der Verletzung querte eine hässliche Brandnarbe seine Schulter. Die Ränder waren regelmäßig, als hätte jemand ein Rechteck aus Eisen erhitzt und ins Fleisch gedrückt.
    »Darf ich?«
    »Selbstverständlich.«
    Sie berührte die Narbe. Das glühende Eisen musste mindestens einige Sekunden lang Hautkontakt gehabt haben. »Wurden Sie gebrandmarkt?«
    »Könnte man sagen.«
    Wie barbarisch, einem Menschen solche Schmerzen zuzufügen. »Wer hat das getan?«
    »Ich.«
    Sie sah ihn an. »Sie haben sich das selbst zugefügt? Wieso?«
    Er seufzte. »Weil ich eine Tätowierung an der Schulter hatte, die ich loswerden wollte.«
    »Und da dachten Sie, Selbstverstümmelung wäre der richtige Weg?«
    »Damals schien mir das angemessen.«
    »Was um alles in der Welt wollten Sie so dringend loswerden?«
    »Den Namen meiner Frau«, antwortete er.
    »Oh.« Sie wich zurück. »Tut mir leid. Ich wollte nicht neugierig sein.«
    »Schon gut«, sagte er. »Ich habe mich damit abgefunden. Ich war jung und sehr verliebt. Ich habe alberne Sachen gemacht, zum Beispiel Wildblumen gepflückt und ihr auf den Balkon gelegt, damit sie sie morgens nach dem Aufwachen als Erstes sehen würde.«
    Charlotte hatte noch kein Mann Blumen geschenkt. Elvei hatte handfestere Geschenke bevorzugt. Wie schön musste es sein, nach dem Aufwachen einen Balkon voller Blumen vorzufinden. Das passte gar nicht zu dem, was er jetzt war: ein grimmiger Schwertkämpfer, der so effizient tötete, dass es wie eine Kunstform wirkte.
    »Ich habe furchtbare Gedichte geschrieben. Und als wir verheiratet waren, habe ich überall im Haus kleine Geschenke für sie versteckt.«
    »Wir kennen uns zwar noch nicht lange, aber das passt irgendwie nicht zu Ihnen, Richard. Sie sind …«
    »Verbittert? Fatalistisch?«
    »Praktisch.«
    Er grinste sie an. »Wie ich schon sagte, war ich jung und romantisch. Oder ein sentimentaler Schwachkopf, wie mein Bruder sich ausdrückte. Marissa hasste das Moor, sie hasste alles dort. Ich wollte sie mehr als alles auf der Welt, also versuchte ich, um sie zu bekommen, so zu werden, wie sie mich haben wollte. Das half. Sie hat mich geheiratet.«
    »Sie hat Sie bestimmt geliebt.« Wie konnte man ihn nicht lieben?
    Richard seufzte. »Sie fand, dass sie unter den gegebenen Umständen keinen Besseren bekommen konnte. Das Moor ist vom Rest des Edge getrennt. Und von unwegsamen Sümpfen umgeben, an der Grenze zum Broken der Staat Louisiana, auf der anderen Seite, im Weird, das Herzogtum Louisiana. Der Weg ins Broken ist weit und gefährlich, und viele von uns, die von den alten Familien des Moors abstammen, können die Grenze nicht überqueren. Wir haben zu viel Magie im Blut. Die Grenze zum Herzogtum ist schwer bewacht. In Louisiana weiß man, dass das Edge existiert und nutzt das Moor, um Verbannte dort abzuladen, denen der Rückweg über die Grenze versperrt ist. Die Ressourcen im Sumpf sind knapp,

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