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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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vielen Menschen. Ich habe ein Band zu knüpfen versucht, aber sie hält mich höflich auf Abstand. Wenn Sophie wollte, könnte sie bei ihrer Schwester leben, aber sie hat sich dagegen entschieden. Sie bleibt gern für sich, aber Sie scheint sie zu mögen. Eine sehr kostbare Bindung, die Sie unbedingt schützen sollten.«

13
    George stand neben der Herzogin der Südprovinzen oder Lady Olivia, wie sie sich lieber nennen ließ, und beobachtete den glanzvollen Aufmarsch der Besten von Adrianglia. Nicht alle waren Blaublütige, doch alle reich oder mächtig oder beides. Am linken Handgelenk trug Lady Olivia ein grünes Armband, mit dem sie anzeigte, dass sie ihre Privatsphäre gewahrt sehen wollte, also blieben sie sich selbst überlassen.
    Ringsum ragte die riesige Terrasse von Burg Evergreen in die Nacht, gesäumt von hohen, hellen Säulen, die geschmackvolle Blumenkaskaden in Marmortöpfen trugen. Im Norden und Süden grenzte dichter Wald an. Im Westen tat sich der golden illuminierte Eingang zum ersten Stockwerk der Burg auf. Dort hielten die Neuankömmlinge inne, um sich ankündigen und identifizieren zu lassen, ehe sie sich unter die übrigen Gäste mischten. Rechts war der Wald gerodet, der Boden fiel dort zum glänzenden Lake Evergreen ab. Über dem See brannte noch die untergehende Sonne, ein grelles rot-goldenes Schauspiel, dessen Farbenpracht beinahe wehtat.
    Wie er so dastand und Leute vorüberhuschen sah, überkam George ein seltsames Gefühl der Entrückung, als würde er träumen. Die Feier des zu Ende gehenden Frühlings war uralt, ging auf gewalttätigere Zeiten zurück, als Hunger die Bevölkerung dezimierte, häufig Kriege tobten und ein Menschenleben nicht viel wert war. Diejenigen, die dieses Fest eingeführt hatten, trugen schlichte Kleidung und plumpe Waffen. Sie dankten damit ihren Göttern, dass sie bis zum Sommer überlebt hatten. Nun schwebten ihre Nachfahren vorüber, trugen schöne Kleider und maßgeschneiderte Jacken und pflegten mit Bedacht eine Tradition, von deren blutigen Anfängen sie nichts mehr wissen wollten. Dennoch waren sie noch genauso brutal wie ihre Vorfahren. Im Fall einer Bedrohung würde die Gesellschaft mit Blitzen um sich werfen, bis ihre Magie alles in Stücke gerissen hatte.
    Da kam Lady Olla in einem wunderschönen Kleid in Meerschaumgrün, in ihrem roten Haar steckte eine weiße Blüte. Ihre Leidenschaft waren Drachenfiguren aus Kristallglas und ihre schwere Sumah-Sucht. George kannte die Namen ihrer Lieferanten und wusste, wo er sie finden konnte. Lord Ronkor, ehemaliger Versorgungsoffizier, nun im Innenministerium für das Beförderungswesen verantwortlich, breitschultrig, selbstsicher, strahlte einen gewissen männlichen Stolz aus, während er raumgreifend einherstolzierte. Ronkor ließ sich gerne von jungen Frauen den Hintern versohlen und war, den Prostituierten zufolge, die er frequentierte, dafür berüchtigt, im Bett schnell zum Ende zu kommen. Seine Frau wusste davon nichts – sie unterhielt seit zehn Jahren eine Affäre mit der Schwester ihrer besten Freundin. Ja, hallo, und wie geht’s dir? Was macht dein Vetter, ja, der in der Hafenverwaltung von Kamen arbeitet? Lässt er sich noch immer bestechen? Was für ein köstlicher Schlingel!
    Eine kleine Hand legte sich auf Georges Schulter. »Du wirkst abwesend, mein Lieber.«
    Er neigte ein wenig den Kopf. »Entschuldigung, Euer Gnaden.«
    Die Frau neben ihm blickte finster. Ihr Gesicht blieb unverändert freundlich. Dero Gnaden Olivia Camarine trug ein tief königsrotes Kleid. Das Motto des Festes lautete »Natur und Wiedergeburt«, gefeiert wurde der Frühling, und die Farbe ihres Kleides passte perfekt zu den Bündeln aus Witwentränen in den Blumentöpfen. Ihr dunkles Haar war zu einem geschmackvollen Arrangement frisiert. Sie mochte Ende fünfzig sein, sah aber zwanzig Jahre jünger aus. Trotz ihres Alters sowie eines mehr als anstrengenden Lebens war sie immer noch eine Schönheit. Kaum dass Jack und er ins Weird gekommen waren, hatte Declans Mutter die Rolle ihrer Großmutter angenommen. Diese Stellung bekleidete sie inzwischen auch offiziell, denn Declan und Rose hatten ihn und Jack formell adoptiert.
    »Lass dich von denen nicht aus der Ruhe bringen«, sagte sie.
    »Das tun sie nicht.« George überkam Dankbarkeit. Viele der hier Versammelten würden ihn niemals vergessen lassen, dass er ursprünglich aus dem Edge kam. Und nur wenige wagten sich ins Gedächtnis zu rufen, dass die Mutter der Herzogin

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