Seelentraeume
die Tür auf, und Jack schob den Kopf durch den Spalt. »Er kommt!«
Den Göttern sei Dank.
Die Tür fiel ins Schloss.
»Schnell!« Charlotte legte rasch den Morgenmantel beiseite und stellte sich in Sichtweite der Tür in Position. Sophie nahm das Kleid und hielt es so, als wolle sie es ihr überstreifen.
George lehnte an einer Säule und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Brennan die Treppe hinaufstieg. Die Architektur des Gästeturms erinnerte an die Hotels des Broken: Vom Parterre aus führte eine weitere Treppe auf eine lange Galerie und einen Korridor, während eine Treppe am anderen Ende der Galerie ins nächste Stockwerk führte. Jedem der adligen Besucher war eine Zimmerflucht zugewiesen worden, und dort, wo die Galerien in die Flure übergingen, hing jeweils eine Liste der Räumlichkeiten. George hatte von seinem Aussichtspunkt auf der Galerie im dritten Stock freien Blick auf die Treppen unter ihm und die Belegliste.
Brennan hatte ein Drittel der Stufen bewältigt.
Da kam, in der grau-blauen Uniform des Schlosspersonals, Kaldar aus dem Korridor. Er ging lässig zu der Liste, nahm sie von der Wand, hängte an ihrer statt eine andere auf und entfernte sich wieder.
Keine Umstände. Kaldar lebte gern gefährlich.
Brennan nahm die letzten Stufen und blieb vor der Belegliste stehen. Die ursprüngliche Liste hatte Brennan und den übrigen Verwandten des Königs den fünften Stock zugewiesen. Die neue Liste platzierte ihn im dritten Stockwerk.
George betrachtete Brennans Rückseite. Ein großer Mann, kräftig, athletisch, mit einem dicken, muskulösen Hals, den Jack nicht ohne Schwierigkeiten brechen konnte.
Dieser Mann war für Sophies Qualen verantwortlich. Er hatte die Sklavenhändler von wahllos zuschlagenden Räubern in eine gut organisierte Streitmacht verwandelt. An seinen Händen klebte Mémères Blut. Und er hatte John Drayton so tief sinken lassen, dass der schließlich ertrunken war.
George hörte in seinem Inneren eine leise, wütende Stimme flüstern. »
Töte ihn, töte ihn, töte ihn
…« Doch er würde ihn nicht töten. Jedenfalls nicht jetzt. Zuerst würde er vor aller Augen gedemütigt werden. Dann würden ihn Schande, Verdruss und schließlich die Strafe ereilen.
Brennan wandte sich nach rechts in den Korridor zu Charlottes Zimmer. George konzentrierte sich und leitete seine Stimme in eine untote Maus in Jacks Hosentasche. »
Er kommt
.«
Brennan verschwand im Korridor, Kaldar lief zu der Liste, riss sie von der Wand und ersetzte sie wieder durch das Original.
Die Tür flog auf.
Charlotte holte tief Luft.
Brennan betrat die Suite und blieb überrascht stehen. Er riss die Augen auf und glotzte Charlotte mit leicht geöffnetem Mund an.
Sophie erstarrte mit angemessen entsetzter Miene.
Charlotte begegnete Brennans Blick. Sie wusste um ihre perfekte Haltung, innerlich jedoch zitterte sie. Sie unternahm keinen Versuch, ihre Blöße zu bedecken, stand einfach nur da, als trüge sie ein äußerst konservativ geschnittenes Kleid, und machte ein nichtssagendes Gesicht.
Brennans Blick schweifte über ihren Körper, verharrte auf ihren Brüsten, ihrem Bauch und schließlich auf dem von schwarzer Spitze kaum verborgenen Dreieck zwischen ihren Beinen. Damit hatte sie seine volle Aufmerksamkeit. Eine Frau mit einem adligen Namen, allem äußeren Anschein nach anständig, gerade aus der Abgeschiedenheit entlassen, zog sich insgeheim so an, dass einer Professionellen die Schamesröte ins Gesicht gestiegen wäre. Den Köder musste er einfach schlucken. Schließlich war er wie für ihn gemacht.
Ein langer Augenblick verging.
Dann hob Charlotte die Augenbrauen und sagte mit vollkommen unbeeindruckter Stimme: »Ich glaube, Sie haben sich in der Zimmertür geirrt, Mylord.«
Brennan kam blinzelnd zu sich. Sofort gewann seine lebenslange Erfahrung in gutem Benehmen die Oberhand. »Natürlich. Ich bitte um Verzeihung, Mylady.«
Dann schloss er die Tür.
»Man muss in jeder Situation genau wissen, was zu tun ist, und es dann mit unerschütterlicher Selbstverständlichkeit tun«, flüsterte Sophie.
Charlottes Knie gaben nach, sie ließ sich auf einen Stuhl fallen.
George beobachtete, wie Brennan wieder auftauchte und zu der Belegliste marschierte. Er setzte eine Miene äußerster Konzentration auf, blieb vor der Liste stehen und starrte sie lange an.
Seine Zimmernummer unterschied sich von der Charlottes um genau eine Zahl: Sie hatte Nummer 322, er 522. Um das zu arrangieren, hatte Kaldar
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