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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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dein Haus«, wisperte Éléonore zurück.
    Charlotte ging den Weg hinunter und hob den ersten Stein auf. Die Magie zwickte sie. Der Wehrstein, so groß wie ihre Faust, war in der Erde verankert. Zusammen bildeten die Steine eine magische Barriere, die das Haus besser schützte als jeder Zaun. Das Edge war kein besonders sicherer Ort. Im Weird gab es Sheriffs, im Broken Polizisten, während sich die Bewohner des Edge nur mit Wehren und Schusswaffen verteidigen konnten.
    »Kommt rein«, lud Charlotte die beiden ein.
    Die Mädchen eilten zum Haus, sie ließ den Stein wieder auf die Erde fallen.
    »Hi!« Daisy streckte ihre Hand aus, und Charlotte schüttelte sie. »Ich freue mich so, Sie kennenzulernen. Sag Hallo, Tulip.«
    Prompt versteckte sich Tulip hinter ihrer Schwester.
    »Alles gut«, wandte sich Charlotte an sie. »Du musst dir das Gesicht waschen. Das Badezimmer ist gleich dahinten.«
    »Komm, ich führe dich hin«, bot Éléonore an.
    Sie lächelte, und Tulip folgte ihr die Verandastufen hinauf ins Haus.
    »Vielen Dank, dass Sie uns empfangen«, sagte Daisy.
    »Kein Thema«, gab Charlotte zurück.
    »Gott, wie peinlich, es tut mir leid.« Daisy trat von einem Fuß auf den anderen. »Es ist bloß … wir haben so viele Cremes und Rezepte ausprobiert, und dann hieß es, Laserbehandlung wäre die einzige Möglichkeit. Ich bin Buchhalterin, ich meine, ich verdiene ganz gut, aber so viel nun auch wieder nicht, wissen Sie?« Sie lachte nervös.
    Und damit kriegte man sie jedes Mal rum, mit diesem unerfreulich flehenden Blick. Die Menschen sahen sie an wie die Antwort auf ihre sämtlichen Gebete. Sie wollte ja helfen – aber die Magie vermochte auch nicht alles.
    Daisy zeigte ein schüchternes Lächeln. »Mrs Drayton meinte, Sie sind vielleicht müde. Danke, dass Sie uns trotzdem empfangen.«
    »Kein Problem.« Charlotte lächelte. »Gehen wir doch in die Küche.«
    In der Küche setzten sie sich an die Insel, und Charlotte goss zwei Gläser Eistee ein. Daisy kauerte auf der Stuhlkante; sie sah aus, als hätte sie am liebsten wieder Reißaus genommen.
    »Das war mal Roses Haus«, sagte sie dann. »Die Schwester meiner besten Freundin war mit ihr auf der Highschool. Bei der Abschlussfeier habe ich gesehen, wie sie Blitze geschleudert hat. Das war irre. Ganz weiße. Keiner sonst aus dem Edge schleudert weiße Blitze. Können Sie Blitze werfen?«
    Die meisten Menschen im Edge besaßen eine magische Gabe. Einige nützlich, andere nicht, aber jeder, der Magie verwendete, konnte mit einiger Übung und angemessenem Training Blitze werfen. Blitze waren ein Strom reiner Magie. Sie sahen aus wie ein Lichtband, manchmal auch wie eine Entladung aus Licht. Je heller der Blitz, desto stärker die Magie. Der stärkste, grellweiße Blitz fuhr durch Fleisch wie ein Hackebeil durch ein Stück warmer Butter. Eine tödliche Waffe, Charlotte kannte die dadurch verursachten Verletzungen in allen Einzelheiten.
    »Nein«, antwortete Charlotte. Da es nicht nötig war, hatte sie es nie gelernt. »Dafür bin ich nicht begabt.«
    Daisy seufzte. »Ja, natürlich, tut mir leid. Ich hätte Rose lieber nicht erwähnt.«
    »Das macht nichts«, sagte Charlotte. »Éléonore spricht ständig von ihr und den Jungen.«
    Daisy rutschte auf ihrem Stuhl herum. »Woher kennen Sie Mrs Drayton denn? Sie sind befreundet, nicht wahr?«
    Éléonore bedeutete ihr mehr als eine Freundin. Die ältere Frau war ihre Wahlfamilie. »Ich bin zuerst weiter westlich ins Edge gekommen, in der Nähe von Ricket. Als ich mich kurz von meinem Pferd entfernt hatte, um mich zu erleichtern, kam jemand und stahl den Gaul und mein ganzes Geld.«
    »So ist das im Edge.« Daisy seufzte.
    »Mein Plan war, Arbeit zu finden, aber keiner wollte sich von mir heilen lassen. Ich bin von Siedlung zu Siedlung gewandert, um irgendwo unterzukommen, und als ich nach East Laporte gelangte, war ich halb verhungert. Kein Geld, kein Dach über dem Kopf, die Kleider zerrissen und dreckig. Ich war am Ende. Da hat Éléonore mich am Straßenrand aufgelesen und mitgenommen. Sie hat mich bekannt gemacht und mir meine ersten Klienten besorgt. Und sie hat mich zu sämtlichen Terminen begleitet und mit den Leuten geredet, während ich mit ihnen beschäftigt war. Ich verdanke ihr alles.«
    Aber es ging um mehr als um Dankbarkeit. Éléonore vermisste ihre Enkelkinder schrecklich. Die Alte war so sehr darauf aus, fast abhängig davon, sich um jemanden zu kümmern, dachte Charlotte, so sehr, wie sie ständig

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