Seelentraeume
gebraucht, bis sie die medizinischen Fachausdrücke des Broken verinnerlicht hatte, aber mithilfe von Büchern war es ihr schließlich gelungen. Richards Blutgruppe hatte sie bestimmt, als ihre Magie in seine Adern eingedrungen war.
Der Rettungssanitäter verstummte. Dann sagte er: »Ich kann Ihnen zwei Beutel beschaffen. Fünfhundert.«
Zwei Pints. Das musste reichen. »Nehme ich.«
»Wir treffen uns in zwanzig Minuten am Ende der Straße.« Luke legte auf.
»Fünfhundert Dollar?« Daisys Augen waren so groß wie Untertassen.
»Wegelagerei«, meinte Éléonore.
»Er ist die einzige Bezugsquelle für Edger. Sonst müssten wir ihm Blut spenden und übertragen.« Charlotte zuckte die Schultern. »Es ist bloß Geld.« Sie konnte jederzeit mehr verdienen.
»Sollen wir lieber gehen?«, fragte Daisy noch mal.
»Ich muss mich mit Luke treffen und das Blut besorgen, aber wenn ihr warten wollt, arbeite ich mit Tulip weiter, sobald ich zurück bin.« Sie war müde, aber sie konnte Tulip ja nicht gut mit einer geheilten Wange und einer anderen mit Akne übersäten fortschicken.
Daisy schürzte die Lippen, während Tulip an ihrem Ärmel zupfte. Die ältere Schwester seufzte. »Dann warten wir.«
»Fühlt euch ganz wie zu Hause«, sagte Charlotte. »Im Kühlschrank sind Tee und Snacks. Ich bin in einer halben Stunde oder so wieder hier.«
Die Mädchen gingen in die Küche.
»Danke, dass du ihm geholfen hast«, sagte Éléonore.
»So wird er wieder gesund. Und, wie du gesagt hast, er gehört zur Familie.« Charlotte lächelte und nahm ein medizinisches Wörterbuch vom Regal. Sie hatte eine Aussparung in jene Seiten geschnitten, in der sie ihren Notgroschen aufbewahrte. Sie nahm das Bündel Zwanziger heraus und zählte fünfhundert Dollar ab. »Kannst du ihn im Auge behalten?«
»Klar. Aber nimm eine Waffe mit, Charlotte.«
»Ich geh doch nur ein Stück die Straße runter.«
Éléonore schüttelte den Kopf. »Man kann nie wissen. Mir ist nicht wohl bei dieser Sache. Nimm für alle Fälle eine Waffe mit.«
Charlotte hob ein Gewehr von der Wand, lud es durch und nahm Éléonore in den Arm.
»Bis gleich.«
»Natürlich.«
Charlotte ging hinaus, überquerte die Wiese und stieg in den Truck. Der Wagen hatte früher Rose gehört, im vergangenen Jahr hatte sie endlich gelernt, damit zu fahren. Er war nicht so elegant wie die adrianglianischen Phaetons, aber einem geschenkten Gaul sah man nicht ins Maul.
Sie drehte den Zündschlüssel. Der Motor sprang an. Etwas an Richards Gesicht sagte ihr zu. Sie war sich nicht sicher, ob es an den hübschen männlichen Linien oder der glühenden Eindringlichkeit seines Blicks lag. Oder vielleicht auch schlicht daran, dass er sie für schön hielt. Wie auch immer, ihr lag jetzt jedenfalls daran, dass er mit dem Leben davonkam. Sie wollte noch einmal sehen, wie er die Augen öffnete, und hören, wie er sprach. Aber vor allem wollte sie, dass er sich vollständig erholte.
Fünfhundert Dollar waren dafür ein geringer Preis.
2
Éléonore maß Richards Puls. Regelmäßig. Charlotte wirkte Wunder, und die Arme wusste es nicht mal. Die meisten anderen würden an ihrer Stelle in Geld schwimmen. Denn niemand war verzweifelter als die Mutter eines kranken Kindes oder ein Mann, dessen Frau im Sterben lag. Diese Menschen würden einem das letzte Hemd überlassen. Charlotte jedoch heilte für Almosen und tat, als sei sie nichts Besonderes.
Im Weird hatte man ihr irgendetwas angetan. Sie glich einem Vogel, der sich einen Flügel gebrochen hatte und sich seitdem weigerte zu fliegen. Als wollte sie sich verstecken, setzte sie sich ausdrücklich gegen Geld und Anerkennung zur Wehr. Sie hatte allerdings nie verraten, wovor oder warum. Éléonore seufzte. Nun, was sie anbetraf, hatte sie nichts dagegen, ihr eine sichere Zuflucht im Edge zu bieten.
Als es klopfte, drehte sie sich um. Daisy und Tulip standen in der Tür.
»Meine Arbeit hat angerufen«, sagte Daisy. »Ich soll sofort kommen. Ist es okay, wenn ich Tulip heute Abend herbringe? Meinen Sie, Charlotte hätte etwas dagegen?«
»Kann ich mir nicht denken. Geht nur. Die Arbeit hat Vorrang.« Éléonore lächelte.
»Danke«, sagte Daisy.
»Danke«, echote Tulip.
Sie war so ein liebes, schüchternes Mädel. »Keine Sorge, Charlotte wird dein Gesicht schon wieder hinkriegen.«
»Müssen wir die Steine versetzen?«, fragte Daisy.
Das macht das Leben im Broken mit den Leuten
, dachte Éléonore. Daisy hatte keine Ahnung von den
Weitere Kostenlose Bücher