Seelentraeume
Sudanesen.
Der Mann öffnete den Mund, die Verblüffung im Gesicht ließ ihn jung wirken … Blut drang zwischen seinen Zähnen hervor und färbte sie rot. Richard stieß ihn zurück, der Sudanese fiel, seine blicklosen Augen starrten an die Decke.
Richard sackte zu Boden, versuchte Luft zu bekommen. Sein linker Arm hing nutzlos herab, der Schnitt in den Muskel brannte, als hätte jemand geschmolzenes Blei in die Wunde gegossen. Er betrachtete den Mann zu seinen Füßen. Wie alt mochte er sein? Fünfundzwanzig? Achtundzwanzig? Er hatte sein ganzes Leben vor sich gehabt, hatte gut ausgesehen und Talent gehabt, und jetzt war er tot. Was für eine Verschwendung.
Richard knirschte mit den Zähnen und betrachtete seine Wunde. Blut tränkte die Haut und tropfte auf den Boden. Dabei sollte er lieber nicht so verschwenderisch damit umgehen.
Gott, tat das weh. Er atmete tief durch die Nase ein, versuchte den Schmerz zu isolieren, zwang sein Gesicht zu einer Maske der Ruhe und wandte sich dann Charlotte zu.
Sie saß zusammengesunken, mit hängenden Schultern und gebeugtem Rücken auf ihrer umgestürzten Truhe. »Lassen Sie mal sehen.«
»Nein.« Wenn sie sich die Wunde ansah, würde sie ihn heilen wollen, und das konnte er unmöglich zulassen.
»Mylord …«
»Ich habe Nein gesagt.«
»… seien Sie nicht kindisch.«
Kindisch? Er riss einen Ärmel vom Hemd des Sudanesen ab und band ihn sich um den Arm. »Da. Schon fertig.«
»Machen Sie sich nicht lächerlich.«
Er hob sein Schwert auf. Sein linker Arm fühlte sich an, als würde er brennen. Jede Bewegung tat weh.
»Ignorieren Sie mich nicht, Richard. Sie haben gerade einen schmutzigen Lappen um eine offene Wunde gebunden, die sich jetzt bestimmt schon infiziert.«
Er ging zu ihr. »Mir geht’s gut. Sie sind am Ende.«
»Lassen Sie mich wenigstens einen Blick darauf werfen.«
»Geht es Ihnen gut genug, um die Treppe hinaufzusteigen?«
Sie stemmte sich von der Truhe hoch, ihre Augen funkelten vertraut eisig. »Ich bin selbst ohne Magie und mit verbundenen Augen ein besserer Feldscher als Sie. Sie werden mich jetzt Ihre Wunde anschauen und anständig verbinden lassen, anstatt einen schmutzigen Ärmel darumzuwickeln. Das dauert nur zwei Minuten, danach können wir nach oben gehen und den Buchhalter festnageln. Oder wir machen es auf Ihre Weise, und Sie fallen in Ohnmacht, weil Sie zu viel Blut verloren haben. In diesem Fall sind wir beide tot, weil ich Sie weder tragen noch beschützen kann. Ihren Arm, bitte, Mylord, sofort!«
Er drehte sich um und hielt ihr den linken Arm hin. Das war einfacher, als sich mit ihr zu streiten. Sie zog einen Beutel unter dem Umhang hervor und entwand ihm einen Erste-Hilfe-Kasten aus Plastik, auf dem sogar das im Broken übliche rote Kreuz prangte. Charlotte öffnete den Kasten, nahm ein kleines Glasfläschchen heraus und gab es ihm. »Trinken Sie das!«
Er entkorkte das Fläschchen mit den Zähnen und schluckte die bittere Flüssigkeit. Kälte durchfuhr ihn bis in den verletzten Muskel und die Schmerzquelle. Unverzüglich folgte eine angenehme Taubheit. Himmlisch.
Dann goss Charlotte etwas auf den Schnitt und machte sich daran, seinen Arm zu verbinden. »Er hat den Knochen gekappt.«
»Mhm.«
»Sie müssen nicht den Knallharten spielen. Ich weiß, dass die Schmerzen unerträglich sind.«
»Sollten Sie es leichter haben, wenn ich mich schreiend auf dem Boden wälze, könnte ich Ihnen den Gefallen durchaus tun.« Endlich hatte er es kapiert. Er hatte gewonnen und lebte noch. Und sie auch.
Charlotte verdrehte die Augen. »Wir können von Glück sagen, dass sein Schwert so scharf war. Es ist ein sauberer Schnitt. Wenn Sie mir ein, zwei Stunden Zeit geben, um mich zu erholen, werde ich Sie heilen. Mussten Sie sich unbedingt von ihm aufschlitzen lassen?«
Argh. »Ja. Er war sehr gut, ich hatte keine andere Wahl. Und seit wann genau kennen Sie sich mit Kampftechniken aus?« Er argumentierte tatsächlich damit, ein weniger gewiefter Schwertkämpfer zu sein. Was sollte das nun wieder bedeuten?
»Seit neuerdings mein Leben davon abhängt.«
»Wenn ich das nächste Mal um mein Leben kämpfe, werde ich Sie ganz sicher um Rat fragen, Mylady.«
»Wenn Sie das machen, werde ich Ihnen gewiss davon abraten, Ihr Schwert wegzuwerfen.«
Fast hätte er geknurrt, aber damit hätte er ihr nur Angst eingejagt, also riss er sich lieber zusammen. Was für eine unmögliche Frau.
Sie knüpfte den letzten Knoten und fixierte den Verband mit
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