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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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weißem Klebeband. »Und jetzt?«
    »Gehen wir nach oben.«
    »Sehr gut.« Sie lehnte sich gegen ihn, um eine Schlinge um seine Schulter zu legen. Ihr Haar streifte seine Wange. Unerwartet versetzte ihm Begierde einen Stich. Sein Ärger ließ ihn sie umso mehr begehren.
    Charlotte schob seinen Arm in die Schlinge und packte den Erste-Hilfe-Kasten in ihren Beutel zurück. »Wenn Sie mir versprechen, sich nicht von wildfremden Schwertern anstechen oder aufspießen zu lassen, versichere ich Ihnen, nicht in Ohnmacht zu fallen.«
    Entzückend
. »Ich müsste ein Narr sein, wenn ich dieses großzügige Angebot nicht annehmen würde.«
    Quälend langsam stiegen sie die Treppe hinauf.
    »Haben Sie wirklich gedacht, ich würde gewinnen?«, fragte er.
    Sie wandte sich ihm zu, mit diesen wunderschönen grauen Augen in ihrem hübschen Gesicht. »Natürlich.«
    Richard stellte sich vor, einen Schritt vorzutreten, sie in seinen unverletzten Arm zu ziehen und sie hier auf den Treppenstufen zu küssen. Ihre Lippen würden warm und einladend sein. Und er stellte sich vor, dass sie seinen Kuss begeistert erwiderte.
    Doch in seiner Fantasie wimmelte es von Träumen, die meisten davon jedoch längst tot und abgelegt.
Sie begleitet dich
, sagte er sich.
Sie hat dein wahres Selbst gesehen, trotzdem sorgt sie sich um dich. Genieße, was du hast, solange du es hast, so wenig es auch sein mag
.
    Sie betraten die Halle. Unter der Tür rechts entdeckten sie auf dem Boden einen schmalen Lichtstreif. Richard deutete auf die Wand neben der Tür, und Charlotte drückte sich mit dem Rücken dagegen.
    Er trat die Tür ein und ging in Deckung. Kugeln schlugen in die Wand gegenüber und fetzten Klumpen aus dem Verputz. Richard hatte das Innere des Raums nur für den Bruchteil einer Sekunde sehen können, aber das genügte: Hinter einem Schreibtisch saß eine rothaarige Frau, und neben ihr stand ein großer Mann mit einer der im Broken üblichen Schusswaffen in der Hand. Richard riss ein Wurfmesser aus der Gürtelscheide, drängte sich in die Tür und schleuderte das Messer. Die Klinge fuhr dem Schützen in den Hals. Der Mann stolperte zurück und stürzte.
    Die Frau starrte ihn aus kalten, klaren Augen an. Sie hatte ein herzförmiges Gesicht und scharf konturierte Wangenknochen, die bei vielen Blaublütigen hoch im Kurs standen. Ihr flammendrotes Haar wand sich in einem komplizierten Zopf um ihren Kopf. Sie hatte eine gewiss nach dem letzten Schrei geschnittene Seidentunika an. Um den Hals trug sie an einer Goldkette einen ovalen Anhänger: einen hellen Aquamarin von der Größe eines Daumennagels. Sie schien etwa so alt zu sein wie Charlotte.
    Hinter ihr sah man zwei große Fenster. Rechts standen Regale mit einer Büchersammlung, die linke Wand nahm ein großer Kalksteinkamin ein. Auf dem Schreibtisch stand neben Stapeln Papier ein
Arithmetika
, ein magisch betriebener Rechner. Waffen sah Richard nirgendwo.
    »Wir haben die Buchhalterin gefunden«, sagte Richard. »Kommen Sie rein, Charlotte.«
    Sie betrat den Raum und betrachtete den toten Schützen. Dann hob sie kurz die Augenbrauen und ließ sich in den nächsten Sessel sinken.
    »Wenn Sie ein Messer hatten, warum haben Sie es vorhin nicht nach dem Schwertkämpfer geworfen?«
    »Das wäre Verschwendung gewesen. Er hätte es einfach abgewehrt.« Richard nickte der Frau zu. »Legen Sie bitte beide Hände auf den Tisch.«
    Sie tat es. Feingliedrige, mit Goldringen und Edelsteinen verzierte Finger. Reichtum und Geschmack waren unwahrscheinliche Bettgefährten, in diesem Fall jedoch sogar Busenfreunde. In Richard regte sich altbekannter Ärger.
    »Sie haben Geld, wahrscheinlich eine gute Schulbildung«, sagte er. »Juliana Akademie vielleicht.« Die Juliana Akademie galt als die beste Lehranstalt für blaublütige Mädchen mit Geld. Wegen Lark hatte er sich mit dem adrianglianischen Bildungssystem vertraut gemacht. Was er sich hätte sparen können. Seine Nichte hatte seine sämtlichen Vorschläge abgelehnt.
    »Winters College«, sagte Charlotte. »Ihre Tunika passt perfekt zu ihrer Augenfarbe. Die Juliana unterstützt größere Kreativität.«
    Die Frau wölbte eine Braue, musterte Charlotte und blieb an ihren schmutzigen, blutbesudelten Kleidern hängen. Der Drang, ihr wehzutun, wurde übermächtig.
    »Und wo haben
Sie
studiert, wenn ich fragen darf?«
    »Ich wurde von einer der Ersten Zehn persönlich unterrichtet«, antwortete Charlotte mit eiskalter und messerscharf höhnender Stimme. »Versuchen

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