SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
sehe ich das heute so.« Daan verkrampfte sich und seine Züge wurden hart.»Es war kurz vor Nilis zehntem Geburtstag. Es war ein heißer wundervoller Sommer und wir waren im Freibad. Sie verbrachte die meiste Zeit im oder unter Wasser, solange bis die Haut schrumpelig wurde. Es war schwül und roch nach Gewitter. Wir fuhren nach Hause und ich kochte uns Spaghetti. Sie liebte es, wenn ich dabei allerlei Faxen machte und Blödsinn erzählte. Dann kam ein Anruf und ich musste dringend in die Firma fahren. Es gab Probleme mit dem Schnitt und alle waren aus dem Häuschen. Ich verabschiedete mich von Nili, versuchte zu erklären, dass ich nicht lange fort sein würde.« Seine Hände begannen zu zittern. Daan brachte kaum noch ein Wort raus und stoppte den Wagen mitten auf der Landstraße. Tränen liefen ihm über die Wangen und er umklammerte wie ein Ertrinkender das Lenkrad. Morrin ließ ihn gewähren.
»Ich konnte doch nicht ... Als ich zurückkam, fand ich Nili unter dem Bett, völlig verängstigt. Sie hatte einen tiefen Riss unter dem Auge und Blut lief über ihr Gesicht. Ich war außer mir. Ich wusste nicht, was geschehen war. Ihre Mutter hatte sich im Bad eingeschlossen und summte ein Lied, es war alles so irreal. Ich brach die Tür auf und fand sie halb nackt in ihrem Nachthemd auf den Fliesen hocken. Sie hatte sich die Arme bis aufs Fleisch blutig gekratzt und starrte mich an. › Ein Dämon ist sie ‹, flüsterte sie. › Ein Dämon ist sie! ‹ Immer wieder. Ich rief sofort den Notarzt und brachte Nili in mein Arbeitszimmer und schloss sie darin ein. Sie holten ihre Mutter ab. Akute Suizidgefahr war die erste Diagnose. Ich gab ihnen alle Unterlagen mit, die ich gesammelt hatte und kurz darauf kam sie in die Psychiatrie. Grundgütiger, ich konnte doch nicht ahnen, dass sie so etwas tut, dass sie zu so etwas fähig sein würde. Immer war sie nur wie ein Geist gewesen, manchmal sogar fröhlich, auch wenn sie Nili trotzdem nie beachtet hat. Aber ich wollte Nili nicht die Mutter wegnehmen. Ich wollte nicht, dass sie mich später dafür hasst.« Er ließ jetzt den Tränen freien Lauf und Morrin umarmte ihn leise. Es dauerte, bis er sich wieder gefangen hatte und er starrte auf die Straße.
»Und was passierte dann?«, fragte Morrin.
Daan schniefte und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Eine Spur von Zorn blitzte in ihm auf und war sofort wieder verschwunden.
»Es war klar, dass ich Nili nie wieder in ihre Nähe lassen würde. Ich bekam das alleinige Sorgerecht. Die Ärzte machten keine echten Fortschritte mit ihrer Mutter und so kam sie in ein Sanatorium in der Eifel. Da ist sie bis heute. Nach Jahren habe ich einmal versucht Nili zu fragen, ob sie ihre Mutter sehen möchte, aber sie hat mich nur angesehen, als rede ich von jemandem, den sie gar nicht kennen würde. Das war gruselig.« Daan fing sich wieder.»Ich habe ihrer Mutter ein paar Mal geschrieben, aber ich bekam nur wirres Zeug zurück. Krakelige Zeilen, in denen sie mich beschimpfte und mich zum Teufel wünschte. Also ließ ich auch das. Ich brach alle Brücken ab. Ich kaufte ein Haus mit einem Garten und einem kleinen Pool für Nili. Ich wollte von vorn anfangen und alles vergessen.« Er seufzte.
»Und Nilah, wie hat sie es verkraftet?«, wollte Morrin wissen.
Daan lachte auf.
»Nili? Ich weiß es nicht. Aus dem Kampfeswillen wurde intensive Sehnsucht nach, wie soll ich es sagen?, einer heileren Welt? Sie ließ sich nichts gefallen, gar nichts. Sie eckte überall an. Wurde erst Vegetarierin, dann Veganerin. Sie wurde Mitglied bei PETA und Terre de Femme und was weiß ich noch. Ihre Lehrer bescheinigten ihr einen ebenso hellen wie aufrührerischen Geist. Ich weiß nicht, wie oft sie mich angerufen und in die Schule zitiert haben. Sie konnten mich alle mal. Ich war stolz auf meine Tochter und das habe ich ihnen auch gesagt oder ich habe einfach nur gegrinst und dabei an etwas Schönes gedacht.« Morrin musste lachen und auch Daan konnte es sich nicht verkneifen. »Ich habe einmal zu ihr gesagt, sie sei wie ein Rudel Wölfe, die vor einem Haufen Jäger stehen. Ich glaube, sie hat es als das Kompliment angenommen, das es auch war. Verdammt, Morrin und jetzt steckt sie in solchen Schwierigkeiten.«
Morrin sah ihm lange in die Augen und küsste ihn dann lang und zärtlich.
»Wenn jemand so ist wie Nilah und einen Vater hat wie dich und jemand an ihrer Seite steht wie Liran, dann hat man keine Schwierigkeiten, Daan. Dann haben die anderen
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