SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
Welt.«
Nilah wich zurück.
»Das ist nicht die Antwort auf meine Frage.«
Liran hockte sich hin und strich eine dunkle Strähne von seinen Augen. Ein kleiner Streifen Dreck blieb an seiner Stirn haften.
»Du weißt nicht, was ich verloren habe, um hier zu sein.« Es waren bittere Worte.
»Und ich, was glaubst du, habe ich verloren? In meiner Seele ist ein See, der, wie du es ausgedrückt hast, alles Licht der Welt zu fressen vermag. In meiner Seele ist ein Drache von solcher Schönheit, dass mir eine Gänsehaut über den Rücken läuft, wenn ich ihn ansehe. Du hast an meiner Seite gestanden wie ein Fels. Unbesiegbar. Magisch. Jetzt sag mir nicht, dass du auf den letzten Metern verschwindest.« Er wirkte überrascht.
»Nein, das werde ich nicht, niemals!«
»Aber dabei zu sterben würde dir auch nichts ausmachen, oder?«
»Ich habe keine Angst vor dem Tod. Kein Fian hat das.«
Nilah sah ihn fest an. Für einen kurzen Moment übersprang sie Berge, rannte durch unwegsame Wüsten, konnte in den Abgründen tiefster Meere schwimmen und ... küsste ihn auf die Lippen. So behutsam wie sie nur konnte.
Liran schmeckte Salz in seinem Mund. Er schloss die Augen. Es war, als würden ihre Lippen ein fadendünnes Leuchten durch seine Haut schicken, in seinen ganzen Körper hineingreifen. Seine Haare kribbelten, seine Fingerspitzen auch und doch fühlte er eine geradezu atemberaubende Ruhe, wie selten zuvor.
Er öffnete seine Dunkelheit. Schlug die Tore weit auf. Er war verloren, das spürte er. Jetzt wusste der Krieger, was er zu tun hatte. Es war zu spät, daran noch etwas zu ändern.
Viel zu spät.
Die Wahrheit
Das wankende Licht von grellen Scheinwerfern durchschnitt den Garten. Nilah löste unwillkürlich ihre Lippen von denen Lirans und fuhr sich mit der Zunge darüber, als wolle sie feststellen, ob grade wirklich das passiert war, was sie sich vom ersten Augenblick an, als sie ihn in dem kleinen Wald gesehen hatte, vorgestellt hatte.
Die Stimmen aus dem Wintergarten wurden lauter, aufgeregter. Sie hatte wohl eine ziemlich unangenehme Situation hinter sich zurück gelassen. Was ihr Vater dachte und sich ausmalte, wollte sie sich gar nicht vorstellen.
Die Scheinwerfer erloschen und entließen den Garten wieder in die Nacht.
»Wem werde ich gegenüberstehen?«, flüsterte sie, den Atem halb angehalten.
Liran hielt noch immer ihre Hand in der seinen und es fühlte sich so verdammt gut an, dass sie hätte schreien können.
»Du wirst dir selbst gegenüberstehen.« Seine Stimme war nur noch wie der Wind, der über den Wipfeln wisperte.
»Ja, so etwas habe ich mir schon gedacht.«, sagte sie zynisch. War es nicht immer so? Sich selbst erkennen, finden, ins eigene Herz blicken, bla bla bla, und am Schluss Gutes und Erhabenes tun. Die Welt retten, kurz bevor der Zeiger auf Null springt. Im allerletzten Augenblick. James Bond sein, nur dieses Mal mit langen dunklen Haaren.
Liran berührte sie am Hals. Ihre Haut darunter summte.
»Ich habe jenen gesehen, der diese Gabe um jeden Preis an sich reißen wollte. Ich habe mein Blut dafür gegeben, dass er es nicht bekommt. Viele tapfere Frauen und Männer sind in dieser Schlacht gefallen. Meine Schwester ist deswegen mit vergifteten Pfeilen gespickt worden und wandert noch immer durch den Fluss der Zeit. Du hast sie gesehen. Sag mir jetzt nicht, dass meine Seele umsonst nach Hause will.«
Nilah wollte, dass niemand nach Hause ging. Schon gar nicht Liran.
Sie schluckte. Sie hatte diese toten Männer und Frauen gesehen, damals im Fleet und später im Tunnel unter Eddas Haus. Das Gesicht, dem eine Speerspitze von der Wange bis durch den Schädel geragt hatte.
» Wem werde ich gegenüberstehen, Liran?« Sie fragte es so klar und scharf, wie sie dazu imstande war.
Sie sah ihn an. Er sah sie an.
»Dem Anfang allen Lebens«, flüsterte er. Das letzte Wort war kaum noch zu verstehen, aber Nilah hatte es verstanden. Leider.
Er konnte ihren Blick kaum ertragen, das merkte sie ihm an und sie begriff. Er wusste es selbst nicht genau, wem sie letztendlich wirklich gegenüberstehen würde. Er wollte gerade etwas sagen, als eine riesenhafte Gestalt in den Garten gepoltert kam und freudig die Arme ausbreitete.
»Nilah! Liran! Mein Gott, was bin ich froh euch wohlauf zu sehen!«, donnerte seine tiefe Stimme und nahm sie beide, einen nach dem anderen, in seine Arme und drückte dermaßen zu, dass Nilah etwas vom Boden abhob und ihr die Luft wegblieb. Atticus
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