SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
schien bodenlos erschüttert, denn dieses Mal kippte er den Sherry hinunter wie ein russischer Politiker.
»Ich habe lange mit mir gerungen und eigentlich wollte ich es niemals jemandem erzählen.« Sie suchte nach den passenden Worten.»In dieser Nacht aber habe ich auch meinen Mann kennen gelernt und ...« Sie wusste nicht, wie sie es sagen sollte.»Ich empfand es als ein glückliches Omen. Ein Zeichen, das mir den rechten Weg wies. Ich hätte nie geglaubt, dass mich dieses Omen einmal persönlich besuchen würde.« Sie versuchte zu lachen, aber es gelang ihr nicht. Nilah starrte sie noch immer an und Selma erinnerte sich an jene Nacht, so deutlich, als würde diese nochmals durch ihren Körper gleiten. Sollte sie die ganze Wahrheit sagen? Vielleicht war es das Beste. Vielleicht sollte es so sein.
»Du warst ein so bezauberndes Kind«, sagte Selma und bemerkte, wie Nilah etwas zurückwich.»So stark und voller Willen zu leben. Deine Mutter war da leider anderer Ansicht. Immer wieder stieß sie schweißüberströmt das Wort Dämon aus. Auf Deutsch. Aber ich habe lange genug für die Touristen gearbeitet, um es zu verstehen. Außerdem klingt dieses Wort immer irgendwie gleich, egal in welcher Sprache man es verwendet. Deine Mutter wirkte wie jemand, der nicht gebären, sondern etwas loswerden wollte.« Sie hörte, wie Nilah entsetzt die Luft einsog. Der junge Mann funkelte sie an. Hin- und her gerissen zwischen Ehrfurcht und Neugier.»Um deinen Hals hatte sich die Nabelschnur gewunden, wie eine Schlange. Du warst bereits blau angelaufen, aber du hast gekämpft.« Selma sah das kleine Wesen wieder vor sich, dass so stark gewirkt hatte in all dem Blut.»Deine Mutter wollte dich nicht mal ansehen. Ich kenne das leider. Ich wusch, wog dich, wickelte dich ein und brachte dich in den Saal für die Neugeborenen.« Sie spürte Nilahs Blick und fühlte die damalige Nacht förmlich.»Ich hatte Nachtschicht. Ich habe gelesen, ich weiß nicht mehr was, aber ich weiß, dass ich gelesen habe. Alle halbe Stunde machte ich einen Rundgang, um nach dem Rechten zu sehen. Der Raum, in dem du lagst war hoch, wie ein Gewölbe, mit einem hohen runden Fenster unter der Decke. Der volle Mond schien dort hindurch. Er schien genau auf deine kleine Wiege. Es war, als hätte Gott dich mit seinem Finger berührt. Ich ging zu dir und da lagst du. Mit großen dunklen Augen, den Kopf zum Fenster geneigt. Ich fragte mich, wer da eigentlich wen ansah. Der Mond dich oder du den Mond.« Sie nahm einen Schluck aus ihrem Glas. Es war alles so nah, als wäre es gestern gewesen. Sie sah die beiden an. Nilah wirkte, als hätte sie eine Erkenntnis berührt, deren Ausmaß sie kaum fassen konnte und ihr Vater, als sehe er sich endlich bestätigt, in einer lange verborgenen Vermutung.»Eine Stunde später machte ich erneut meine Runde.« Sie nahm noch einen Schluck.»Ich ... ich sah deine Wiege und darauf das Mondlicht. Ich ging weiter in den nächsten Raum und auch dort war das Mondlicht. Erst als ich die Tür wieder zuzog, erkannte ich, dass etwas nicht stimmte. Wie vom Donner gerührt stand ich da und sah abwechselnd durch die beiden Türen.« Selma holte tief Luft.»In dem anderen Zimmer war das Licht in einem breiten Strahl weiter gewandert, aber in dem Zimmer in dem du lagst, schien es noch immer auf dich herab, Nilah. Nie in meinem Leben habe ich so etwas erlebt und auch nie wieder danach. Aber ich sah in dieser Nacht zwei verschieden gekrümmte Lichtstreifen des Mondes. Einen, der wanderte, so wie es sein sollte, und einen, der stillstand und zwar genau über dir.«
Der Kamin knackte.
Nilahs Gedanken waren wie verklebt. Zäh und verschoben. Sie glaubte, dass wenn sie ihre Hand öffnen würde, sie auf ihr Herz nieder blicken könnte. Jedenfalls, so fühlte es sich an, schlug es nicht mehr in ihrem Körper.
Sie stand auf und verließ den Raum. Ein kurzer Blick hatte ihren Vater wieder in das Sofa zurücksinken lassen. Sie hoffte, er würde es verstehen. Alle anderen blickten ihr nach, das fühlte sie, aber es war ihr egal. Sie ging an Liran vorbei, in seinen Augen war eine Mischung aus Mitleid und Stolz. Sie senkte den Blick und ging durch den Wintergarten hinaus in den Garten.
›Was hatte sie erlebt? Was war alles geschehen, um jetzt hier zu stehen?‹ Sie sah einen tiefgelben Mond hinter den Bergen aufsteigen. Der Himmel war wolkenlos und die Sterne leuchteten, so wie sie es immer taten und immer tun würden.
›Ja, nun war es amtlich!‹ Sie
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