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SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

Titel: SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Nilah zu schützen. Denn sie war die einzige Hoffnung, die in seinem Herzen zu leuchten vermochte, hatte er ihr ins Ohr geflüstert. Außerdem war er als moralische Stütze für sie mitgekommen.
    Der Himmel war grau, so grau, dass er die Farbe nicht einmal mehr verdiente, so kam es Nilah jedenfalls vor. Das dunkle Tor war von Rissen und Dellen durchzogen. Aber es hatte seine Kraft nicht eingebüßt. Es sah aus wie ein flaches, aufgeschlagenes Buch ohne Zeilen. Da sollte sie hinein?
    Wieder räusperte sich Queequeg.
    Doch Nilah war wie festgewachsen. Sie hatte Angst. Sinuhe hatte gesagt, sie müsse hier herkommen und mit dem Mann reden, der sein Augenlicht und sein Bein verloren hatte. Er könne ihr helfen.
    »Und es gibt keine andere Möglichkeit«, fragte sie nun nach hinten. Sie wusste, Queequeg würde nicht antworten, aber sie sah es förmlich vor sich, wie er traurig den Kopf schüttelte.
    Sie holte tief Luft und zog den walförmigen Türklopfer zurück, zögerte einen Moment und ließ ihn dann aus der Hand gleiten, sah wie er zurück schwang, wollte ihn aufhalten, aber es war zu spät, er traf die Tür und schepperte so laut, dass Nilah ein Auge und den Mund zusammenkniff und sich duckte.
    »Uuupps«, murmelte sie.
    Nichts passierte.
    Erleichtert drehte sie sich um. Sie wollte Queequeg für die Wegbegleitung danken, mit den Schultern zucken und ›So ein Pech aber auch‹ sagen, als etwas hinter ihr knarrte.
    »Wer stört?«, fragte eine Stimme, die wie ein im Zaum gehaltener Sturm klang.
    Nilah drehte sich zu dem Tor und sah in zwei Augen von unbestimmter Farbe, die durch eine schmale Luke schauten.
    »Ich bin Nilah«, sagte sie vorsichtig.
    »Super! Dann lachen wir beide mal ganz herzlich und kümmern uns um Dinge, die wirklich wichtig sind. Guten Tag!«
    »Ähm, ist er ein wenig … irre?«, flüsterte sie mit vorgehaltener Hand zu Queequeg. Der machte etwas, das wie Nicken und Kopfschütteln gleichzeitig aussah, und drängte sich an ihr vorbei.
    »Ahab, zurrrück ist sie. Sie ist es, Ahab!«, donnerte Queequeg beschwörend.
    Das Tor bewegte sich. Wie geblätterte Buchseiten öffnete es sich und ließ sie herein. Vor ihr stand ein Mann, der so beeindruckend war, dass sie keine Worte dafür hatte.
    »Treffer und versenkt«, brummte er.
    »Was ...?«
    »Das mit dem Irren ... und jetzt tritt vor, junge Dame, lass dich ansehen.«
    Nilah war wie gelähmt. Vor ihr stand ein Mann, der aus purer Willenskraft zu bestehen schien. Als hätte ihn eine fremde Macht der Hölle entrissen, weil er dort den Teufel bedroht hatte. Seine hohe, kraftvolle Gestalt steckte in schwarzen Hosen und einem schwarzen Gehrock mit schwarzen Knöpfen. Darunter trug er ein peinlich reines weißes Hemd und auf dem Kopf, wo sein graues Haar widerspenstig hervorquoll, einen schwarzen Zylinder, wie ein Totengräber. Unter einer Achsel klemmend, stützte er sich auf eine Krücke und das Bein, das sie ihm abgehackt hatten, war durch ein schneeweißes Holzbein ersetzt worden, das leicht schräg von ihm abstand. Sein Gesicht und seine Augen vermittelten Verschworenheit, eine Königswürde, aber auch den Schwermut eines Mannes, dem man alles genommen hatte was er liebte. Die Narben, die ihm über das Antlitz liefen, trug er nicht wie Narben, sondern wie Felszeichnungen seiner eigenen Vergangenheit. Nilah war auf der Stelle klar: Sie hätten diesen Mann verbrennen und seine Asche in Truhen verschlossen ins Meer werfen können und hätten trotzdem befürchten müssen, ihn am nächsten Tag erneut in der Bibliothek anzutreffen.
    Sie trat vor und Ahab streckte seine Hände aus, ließ sie langsam und anscheinend einem inneren Muster folgend über ihren Kopf wandern. Haare, Ohren, Nase, Augen, über alles strich er sanft hinweg und seine Finger rochen angenehm nach Holz und Pfeifentabak.
     Als er von ihr abließ, schien er einen Augenblick wie erschöpft und sackte kaum merklich in sich zusammen.
    »Du kannst gehen, Queequeg, danke. Keiner dieser Verdammten dort draußen wird es wagen, einen Fuß in dieses Schiff zu setzen. Sie ist hier sicher.«
    Queequeg sah Nilah aufmunternd an und lächelte.
    »Ich sie holen ab, wenn soweit ist«, sagte er und ging, wobei er sich mehrmals umsah, bevor er die Gasse hinunter zum Leuchtturm lief. Nilah blickte ihm nach. Es wäre ihr lieber gewesen, nicht alleine mit diesem Mann zu sein. Sie hörte das hallende Tock des Holzbeins hinter sich und drehte sich um. Ahab humpelte aus dem kleinen Vorraum und war schon in der

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