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SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

Titel: SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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sehr wie ihren Vater.
    Zum Abendessen gab es Spaghettikreaturen aus der Unterwasserwelt. Sie waren deshalb so unberechenbar, weil sie erst mit einer grummelig gesprochenen Formel in dem sprudelnden Topf blieben und nur mit dem Blut von Dracula persönlich am Boden des Tellers gehalten werden konnten. Als Vorsichtsmaßnahme stach ihr Vater immer mehrmals wie ein wilder Neptun in das Nudelgewirr und verfluchte es, bevor er es sich genüsslich in den Mund stopfte.
    Nilah hörte sogar noch das Lachen, das sie deshalb ausgestoßen hatte und in ihrem Herzen nachklang.
    Dann kam die Dunkelheit.
    Sie lag gut verpackt unter ihrer Decke. Alles war bereit und wohlig warm. Sie wollte dringend dem nächsten Kapitel lauschen, mit ihrem kleinen Bären Fossi an der Seite, wollte wissen, wie Kapitän Nemo und Ned Land und Professor Arronax aus den Fängen des Riesenkraken entkamen oder - daran wollte sie gar nicht denken – gar verschluckt wurden. Jedenfalls wollte sie wissen, wie das ungeheuerliche Abenteuer 20.000 Meilen unter dem Meer weiterging.
    Das Telefon klingelte und ihr Vater nahm ab. Sie vernahm am Tonfall seiner Stimme, dass wohl etwas schief gegangen war. Sie hörte allein an den Schritten, dass er sich gleich entschuldigen würde. Er ging dann meist einen Hauch langsamer, so als müsse er etwas schleppen, das nicht ihm gehörte.
    Sein Kopf tauchte im Türspalt auf. Er lächelte sie an und sie konnte nicht anders als zurück zu lächeln. Wieso konnte sie ihm niemals böse sein? Sie konnte ja nicht wissen, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Er kam leise näher, als wolle er keinen Krach machen und setzte sich auf die Bettkante am Fußende.
    »Ich muss noch mal kurz weg. Tut mir Leid.«
    Nilah warf einen Seitenblick auf das bereits aufgeschlagene Buch. Es war das Buch ihres Vaters und sie wusste, er liebte es. Eine Erstausgabe, hatte er ihr vor Tagen stolz berichtet, auch wenn sie nicht genau wusste, was das bedeutete. Aber sie hatte die Worte sofort in sich gespürt, die er vorgelesen hatte. Für jeden Charakter benutzte er eine andere Tonlage. Das machte er immer so. Fast war es, als sehe und höre sie ein Theaterstück, als eine vorgelesene Geschichte. Hatte eine Figur einen Buckel, so krümmte ihr Vater sich und machte eine unansehnliche Fratze dazu und Sekunden später konnte er ein arroganter Lord oder König sein, der mit seinem Säbel hantierte, als wäre es ein mit Parfüm bestäubtes Taschentuch. Es tat ihr weh, dass er jetzt fort musste.
    »Schon ok«, sagte sie tapfer.
    Er stand auf und küsste sie auf die Stirn. Das tat er wenn er sich für etwas entschuldigen wollte oder etwas unausweichlich war.
    »Sind nur ein, zwei Stunden im Schneideraum.« Er drehte sich noch mal an der Tür um.»Und daaaannn, wer weiß, was die Krake mit der armen Nautilus so alles anstellt«, krächzte er und wackelte mit den Armen, wie ein Vater eben herumwackelt, der ein Seeungeheuer nachstellen will.
    Nilah lachte und machte ihr Zeichen. Ein Tippen mit dem Zeigefinger auf ihren Mund, ihr Auge, ihr Ohr und dann auf ihren Vater.
    Er machte lächelnd das gleiche Zeichen und ging mit einem Zwinkern.
    Hinter der Fensterscheibe machte sich ein Gewitter breit. Ein tiefes Grollen rollte durch die erhitzte Stadt. Nilah zählte die Abstände zwischen den Blitzen und dem Donnern, um herauszufinden, wie weit entfernt das Gewitter noch war. Sie stand auf und schob die Vorhänge beiseite, um eine bessere wissenschaftliche Berechnung machen zu können. Zudem mochte sie Gewitter. Einmal hatte ihr Vater gesagt, dass ein Gewitter wie ein altes Herz sei, das uns daran erinnerte, dass selbst in einer Stadt wie Hamburg immer noch die Natur das Sagen hatte. Noch fiel kein Regen und so öffnete Nilah das Fenster. Die Vorhänge blähten sich und der Geruch von Kraft lag in der Nachtluft. Oft war es so, dass Gewitter über der Elbe wie festgenagelt schienen. Erst hatte man den Eindruck, sie zögen weiter, aber dann kehrten sie zurück und blieben noch eine Weile. Sie hoffte, dass es auch heute so sein würde.
    Sie genoss den Ausblick aus dem siebenten Stock, sah unten die fahlen Birken, von den Laternen beschienen und wie sie sich im Wind gehorsam beugten. Ein Stück Zeitung verfing sich an dem Hinterrad eines abgestellten Fahrrads.
    Nilah machte das Fenster wieder zu und legte sich hin. Sie nahm Fossi, kuschelte ihn in ihre Halsbeuge und schloss die Augen. Doch dann öffnete sie die Augen wieder. Sie konnte nicht einschlafen. Das war schon immer so

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