SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
in den Adern gefrieren ließ. Ein gehender Berg aus dunkelblauem Schuppengewirr, die Schwingen ausgebreitet, ein hornbewehrter, peitschender Schwanz, der durch die Luft hieb und rotierende Verwirbelungen in dem Rauch und Steinschutt hinterließ. Einer seiner Männer hing tot, aufgespießt auf einem der Hörner und als der Schwanz nach vorn sauste, da flog der leblose Körper durch die halbe Halle und schlug irgendwo außer Sichtweite auf.
»Verdammt!«, zischte der Anführer,»das hat aber nicht in der Jobbeschreibung gestanden.«
Er wollte um sein Leben laufen, aber sein Körper blieb unerklärlicherweise weiterhin dort stehen. Seine Füße steckten irgendwie fest. Er sah nach unten und glaubte schon, dass er gar keine mehr hatte, doch da waren sie, sie wollten nur keinen einzigen Schritt tun, verdammtes Pack!
Warm wurde ihm und Schweiß rann in Bächen an ihm herunter. Er hörte seinen rasselnden Atem unter dem Helm in den Ohren rauschen, aber er bekam den Riemen nicht auf. Er zog ungelenk seinen dicken Fellmantel aus und warf ihn fort. Vielleicht klappte es jetzt, ohne das schwere Ding. Als er aufsah, stand der dunkelblaue Berg vor ihm.
»Wie viele von euch hat Sunabru geschickt?«, dröhnte es in seinem Kopf. Er hatte die Frage verstanden, aber er fand keine Antwort darauf. Sie war weg.
Für einen kurzen Moment dachte er, er sei aus dem Schneider.
»Nun, dann fängt jetzt meine Jagd an!«, grollte der Drache ruhig und für einen Augenblick dachte der Anführer, er sähe die Luft vor sich flimmern, so wie über einem Lagerfeuer, wenn sie ihre gefangenen Einhörner brieten und fraßen. Fasziniert streckte er die Hand aus.
Zurückkehren
Sie lagen in einer weiten runden Kuppelhalle, die Nilah noch immer in Staunen versetzte, auch wenn sie schon seit Stunden dort hinauf blickte. Sie lag auf dem Rücken des Drachens und es war ihr, als würde sie auf dem gemütlichsten Bett aller Zeiten ruhen. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt und ein Fuß über den Spann des anderen gelegt, seufzte sie in einem fort, so beseelt und ruhig und vollkommen geborgen fühlte sie sich. Das sanfte Auf und Ab des Drachens war wie Balsam für ihre Gedanken.
Die Decke war hoch, in tiefdunkles Nachtblau getüncht und es schien, als hätte jemand sämtliche Sterne und Galaxien des Universums darauf gemalt und in der Mitte, ganz so wie Sinuhe es ihr beschrieben hatte, war ein großes, rundes Fenster aus Wasser, durch das sich das Licht des nahenden Abends in schimmernden, farbigen Strahlen und Kreisen brach, die auf ihrem Gesicht tanzten. Es war, als würde man am Grund einer Kugel liegen und in einen klaren Abendhimmel mit einem Teich als Auge sehen.
Die runden, gebogenen Wände, welche die Halle bildeten, waren ebenfalls kunstvoll bemalt. Oberhalb nach dem genauen Lauf der Sonne und unterhalb nach dem genauen Lauf des Mondes. Und das alles in solch beeindruckenden Farben, dass man glaubte, Sonnenaufgang und -untergang wirklich mitzuerleben. Noch nie hatte Nilah solch realistische Darstellungen gesehen, die einem das Gefühl gaben wahrhaftig dabei zu sein. Es war berauschend schön.
Als sich Nilah um ihre eigene Achse drehte, ganz langsam, um die Bilder zu betrachten, stellte sie voller Verwunderung fest, dass diese sich dabei mit bewegten. Wenn sie sich in einer bestimmten Geschwindigkeit um sich selbst drehte, konnte sie den Lauf der Sonne von ihrem rot glühenden Aufgang bis zu ihrem Untergang mit ansehen. Dasselbe galt für den Lauf des Mondes, dessen zu- und abnehmende Sichel hell in den Augen weilte. Sie schluckte vor Bewunderung. Und als sie zur Decke sah und sich drehte, wanderten über ihr sogar die Sterne. Wer immer das geschaffen hatte, war ein Zauberer, dachte sie, ein absolutes Genie.
Der Drache summte Worte zu ihren Bewegungen und sie klangen wie ein uraltes Gedicht. Doch war es ihr Herz, das die Zeilen aufnahm, nicht ihr Verstand. Das sonore Brummen von Magie vibrierte durch Nilahs Körper, eingehüllt von Nebel und Zeit:
Einst war nur dunkles Schweigen.
Bis ein ferner Ruf
Pfad und Staub in die Finsternis spie.
Aus diesem Atem wie Winternebel
Fielen die Feuerschiffe herab.
Ihre Herzen aus Wasser und Stein
Suchten nun das blutglühende Meer
Damit ein Herz dem anderen gleiche.
Aus ihrem einzigen Kuss entstieg der Wanderer
Unter seinem Blick entstand die Welt.
Irgendwann fielen ihr die Augen zu, sie merkte nicht einmal mehr, wie sich die Schuppen des Drachens wieder sanft über sie
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