SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
benutzt?«
»Es bedeutet, dass jemand sein Handeln als eine verlängerte Handlung Gottes begreift. Dass es der Wille Gottes ist, den er nur gehorsam in die Tat umsetzt. Die ersten Kreuzritter hatten diesen Schlachtruf, als sie das heilige Land zurückerobern wollten. Warum fragst du?«
»Und, ist es sein Wille? Ich meine, dieses ... Gottes?«
Nilah lachte verächtlich.»Wenn wirklich einer dieser Ritter damals von Gott persönlich den Auftrag erhalten hat, Frauen und Kinder zu töten und eine ganze Stadt bis zu den Fersen in Blut zu tränken, dann würde ich diesem Gott ins Gesicht spucken.« Liran machte eine abwehrende Geste, so als wolle er keinen Ton mehr darüber hören, als sei damit schon alles für ihn beantwortet. Er stand auf, trat ans Fenster und stieß einen tiefen Seufzer aus. Nilah beschlich das Gefühl, dass der Krieger etwas Wichtiges zu sagen hatte und damit rang, es in Worte zu fassen. Von einer Sekunde zur anderen bekam sie Angst davor, dass er ihr etwas sagen würde, das ihr Leben noch tiefer in den Strudel reißen könnte, der schon ihr ganzes Leben gierig zu verschlingen schien.
»Ich habe eine Frau, besser gesagt, eine blau bemalte, nackte Kriegerin aus dem Feuer am Hang treten sehen. Sie sah aus wie deine Schwester.«
»Hast du das, ja?«
Liran drehte sich um und seine Augen musterten sie. Dann lächelte er freudlos und schüttelte den Kopf, als wollte er sagen: Warum frage ich nur, natürlich hast du das.
»Fe-fiada«, murmelte er.»Man sagt, die Tore der Geister sind weit offen in den Stunden, bevor der Winter beginnt. Deshalb die Schale mit Essen draußen vor dem Garten.« Sie war Nilah gar nicht aufgefallen.
»Dann habe ich einen Geist gesehen? Ist sie ...«
»Sie ist ... meine Schwester und ja, sie ist tot.« Seine Stimme war brüchig, voller Schmerz und Wut.
Nilah suchte nach Worten, fand aber keine. Im Kamin knackte es.
»Sie ist eine Kriegerin, eine Fian, so wie ich. So wie unsere Mutter. Habt ihr keine Kriegerinnen in euren Reihen?«
»Seit ein paar Jahren dürfen Frauen auch bei uns in die Armee. Aber wirklich anerkannt sind sie, glaube ich, noch immer nicht. Frauen gelten als zu weich und ungeeignet für den Krieg, wie für vieles andere auch.«
»Was meinst du damit: Für vieles andere auch ?«
»Wir haben einen recht seltsamen Status in der Gesellschaft. Auf der einen Seite gibt es die Gleichberechtigung, die aber auch erst seit ein paar Jahrzehnten. Vorher waren wir nicht einmal zur Wahl berechtigt und Männer durften per Gesetz ihre Frauen in der Ehe schlagen und sie sogar vergewaltigen.«
Lirans Blick verfinsterte sich zunehmend.
»In den Augen der Kirche tragen wir nämlich die Erbsünde in uns, weil wir für die Vertreibung aus dem Paradies verantwortlich sind. Es gibt in der katholischen Kirche keine Frauen, die Priesterin oder sonst was werden dürfen. Früher wurden Hebammen und Frauen mit Heilwissen zu Hexen erklärt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Frauen werden verschleppt und zur Prostitution gezwungen. In vielen afrikanischen Ländern schneidet man den Mädchen aus Tradition und im Namen Gottes die Klitoris mit einer rostigen Rasierklinge ab, damit sie niemals Lust empfinden können.« Nilah merkte, wie die Wut sie mitriss und hielt inne.
Der Krieger stand noch immer am Fenster, um Haltung ringend.
»Dafür haben wir gekämpft?«, flüsterte er resigniert.»Dafür? Dass sich die Welt umkehrt und zu einer hässlichen, geifernden Fratze wird? All das Blut auf den Schlachtfeldern und das ist dabei herausgekommen?« Er wirkte, als hätte ihn jemand geschlagen. Nilah wollte aufstehen. Sie hatte das unwiderstehliche Bedürfnis, ihn zu berühren, ihn in den Arm zu nehmen. Doch sie blieb sitzen, sie konnte nicht.
»In meiner Welt, meiner Zeit, gab es Gesetze ...«, seine Stimme wurde kühl.»... die Frauen schützten. Ein Mann entehrte sich durch Verbrechen gegen sie. Ihm wurden seine Rechte aberkannt und er wurde verstoßen. Die Frau aber behielt diese, selbst wenn ihr Gemahl der Täter gewesen war. Frauen konnten Richter, Arzt, Druide, Dichter, Handwerker, Anwalt oder Krieger werden. Sie konnten sich um jedes Amt bewerben und jeden Beruf ergreifen und das taten sie auch. Die größte und mächtigste Druidin meiner Insel war eine Frau und ohne sie wäre ich nicht hier. Meine Mutter war eine Fian. Meine Schwester konnte besser mit dem Schwert umgehen als ich und sie konnte so viele Männer in ihr Bett holen wie sie wollte. Niemand hätte je etwas
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