SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
selbst den schwarzen See teilweise bedeckte. Es war, als wollte er eine verhüllende Decke über etwas legen, das er nicht erklären konnte und auch nicht wollte.
»Was?«, schrie Nilah nun.»Was ist passiert, verdammt nochmal!« Sie war außer sich, drehte sich wütend um. Sie schüttelte abweisend den Kopf, als wollte sie alle Antworten damit schon im Keim ersticken. Sie ahnte es.
»Liran ist tot, Nilah!« , selbst der Drache klang verzweifelt und erschüttert. »Ich habe seine Gedanken und seinen Tod in deinen See fallen sehen.«
Nilah fing an zu wimmern. Sie schlug die Hände vor den Mund, versuchte die Flut zurückzuhalten. Aber es ging nicht mehr. Sie sah ihn. Sie sah ihn, wie er mit seinen blauen Augen in den aufgewühlten Wellen versank.
Sie wirbelte weg vom Drachen und starrte zum See hinab. Sie sog alle Bergluft in ihre Lungen, die sie einziehen konnte und schrie:
»ICH ... HASSE ... DICH!« Das Wort Mutter war dabei nur noch ein kaltes Hauchen.
Das Glück der Tüchtigen
Zum ersten Mal seit Stunden hatte Jean Luc die Zeit, um zu trauern. Alles in seinem Kopf war nur dem Reagieren und Funktionieren untergeordnet gewesen, doch nun, in dieser weiten und dunklen Stille, war ihm ziemlich elend zumute.
Er hatte diesen jungen Mann nicht einmal lange genug gekannt, um ihn in sein Herz zu schließen oder gar etwas wie wirkliche und echte Sympathie zu entwickeln, aber er war, das musste Jean Luc neidlos zugeben, noch nie in seinem Leben so beeindruckt von einem Menschen gewesen, wie von diesem jungen Krieger. Allein seine körperliche Präsenz hatte ihm großen Respekt abverlangt. Liran war raumgreifend gewesen. Die Gesten, die intensiven Augen, die mehr als Worte sagten. Wie er mit nach oben gewendeten Handflächen seiner Frau und seinen Kindern gegenüber getreten war. Die Geste war so alt und doch so unmittelbar spürbar gewesen. Die ruhige, bestimmende Art zu sprechen, als würde er damit ein ganzes Volk repräsentieren, wie ein Botschafter. Als würde sein Verhalten auf das aller zurückfallen.
Und waren es nicht die Kinder gewesen, die so unvoreingenommen aus dem Bauch heraus entschieden hatten, wen sie mochten und wen nicht? Noch nie war die kleine Mawenn auf die Schultern eines Fremden gestiegen. Sie war selbst Leuten aus dem Dorf gegenüber reserviert. Und was hatte sie getan? Sie war auf seinem breiten Kreuz auf- und abgewippt und hatte mit seinen Zöpfen herumgespielt, als würden sie sich aus einem anderen Leben kennen. Allein dieser Anblick hatte Jean Luc sehr berührt.
Doch noch immer wollte sein Verstand nicht über das nachdenken, was er in der Bootshalle gesehen hatte. Er konnte es nicht und das würde auch noch eine ganze Weile so bleiben, da war er sich sicher. Magie brauchte ihre Zeit.
Es tat ihm aufrichtig leid, dass dieser so mutige Mann, der mit einer solchen Selbstlosigkeit gehandelt und gekämpft hatte, nun auf dem Grund des Meeres lag. Noch immer machte dieser Gedanke ihn fassungslos und betäubte ihn geradezu. Jemand, der so wagemutig auf solche Kreaturen losging, konnte doch nicht einfach sterben. Nein, er konnte noch nicht loslassen. Immer wieder dachte er über Möglichkeiten nach, die ein besseres Ende als den Tod hatten, auch wenn sie zusehends fadenscheiniger wurden.
Er machte nur halbe Fahrt voraus, denn sollte er wirklich in die falsche Richtung steuern, so war es besser, dabei nicht zuviel Benzin zu verbrauchen.
Er hatte gehofft, die Götter, seien es nun alte , neue oder der Alleinige , würden sich der Wichtigkeit der Person, die unter Deck lag, bewusst sein. Denn er hatte den eindringlichen Blick des Kriegers nicht vergessen. Auch wenn er kein sehr abergläubischer Mann war und die Menschheit schon seit sie der Sprache mächtig war, pausenlos von Weltuntergängen faselte, so waren doch die Augen und die Worte des Kriegers sehr tief in ihn eingedrungen. Er hatte es gesagt, als wüsste er wovon er redete.
Seit Jean Luc diese infernalischen Geräusche auf dem Parkplatz gehört hatte, kribbelte es in seinem Nacken. Also, so fand er, sollten die Götter mal ein bisschen hinne machen und diese Suppenküche aus Finsternis ein wenig aufhellen. Er wollte ja kein Feuerwerk oder einen Strahlenkranz, der aus den Wolken stieß, aber ein paar Sterne wären schon hilfreich. Es war ihm ziemlich egal, ob Gott, Buddha, Vishnu oder Allah eine Kerze anzündete, wenn es denn nur endlich einer tat, bevor sie noch mit den letzten Tropfen Sprit in den New Yorker Hafen
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