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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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Keine große Sache.«
    Er zog eine Augenbraue hoch.
    »Guck mich nicht so an. Ich bin ja noch am Leben, okay? Alles in Ordnung. Wo ist das Mädchen, das den Geist gesehen hat?«
    Er setzte zu einer Antwort an und schluckte sie dann hinunter. »Laria. Sie heißt Laria.«
    »Jep, genau die.« Chess suchte das Grüppchen der Frauen ab, bis sie den braunen Zottelkopf entdeckte. Laria hielt sich im Hintergrund. Sie machte einen verwirrten Eindruck. Chess versuchte, sie auf sich aufmerksam zu machen, zweifelte aber, ob Laria überhaupt aufnahmefähig war - sie sah aus, als würde sie jeden Augenblick zusammenklappen.
    »Ich hol sie.«
    Aus der Nähe besehen wirkte Laria jünger als vermutet. Wie sechzehn vielleicht, höchstens siebzehn. Ihre hellblaue Jacke war an den Ärmeln fleckig und hatte einen Riss. Als sie die Arme fester um sich schlang, schob sich der Ellbogen durch das Loch wie der Kopf einer Schildkröte aus dem Panzer.
    »Laria, ich bin Chess. Kannst du mir sagen, was du vorhin beobachtet hast? Ich meine, als Daisy getötet wurde.«
    Laria schüttelte den Kopf. Tränen schossen ihr in die verschleierten braunen Augen. »Ich hab gar nichts gesehen.«
    »Aber vorhin hast du doch noch gesagt, dass du ...«
    Laria schüttelte heftig den Kopf. Ihr Haar flog dabei hin und her wie ein Bündel schmutziger Stahlwolle.
    Chess warf Terrible einen genervten Blick zu. Das Mädchen tat ihr leid, klar, aber es war schon spät, es war eiskalt, und sie wollte einfach nur noch nach Hause. Larias Sturheit konnte sie jetzt gar nicht gebrauchen.
    Er packte Laria am Arm. »Spuck's aus, Mädel. Sonst haben wir keine Chance, ihn zu schnappen, klar?«
    »Ich hab ...«
    »Gar nichts hast du. Du hast sie bloß allein gelassen, um dir ’n Schuss zu setzten, oder? Dann spuck jetzt wenigstens aus, was du weißt.«
    Laria sog scharf die Luft ein; Terrible umklammerte ihren Arm so fest, dass sein Daumen auf dem zweiten Gelenk des Mittelfingers lag. »Terrible, du tust mir ...«
    »Tut gleich noch mehr weh, wenn du nicht redest.«
    Chess hob die Hand. »Dafür ist doch morgen noch Zeit, oder?«
    »Morgen erinnert die sich doch an nix mehr«, sagte er. »Wir müssen jetzt so viel wie möglich aus ihr rausquetschen.«
    Larias Wangen waren nass. »Er hat ’n Hut aufgehabt. Mehr weiß ich nicht mehr, nur, dass er ’n Hut aufgehabt hat.«
    »War er groß? Klein? Durchsichtig?« Terribles Griff lockerte sich, und sein Tonfall wurde freundlicher. »Komm schon, Laria. Denk mal ’n bisschen nach, hm? Streng dich mal ’n bisschen an.«
    »Er war nicht groß. Nicht viel größer wie ich. Hat sich über sie drübergebeugt, als ich nah genug dran war, um was zu sehen. Dann ist er aufgestanden und da ...« Lara schluckte einmal vernehmlich, dann ein zweites Mal. »Da konnte ich durch ihn durchgucken.«
    »Er war durchsichtig?«
    »Ich konnte durch ihn durchgucken«, flüsterte Laria. Nur, dass er zu mir hochgeguckt hat, unter seiner Hutkrempe, weißt du ... ’n komischer Hut war das, mit so ’nem Knopf in der Mitte und Lappen an den Seiten, über den Ohren. War alles durchsichtig an ihm, Klamotten und alles, nur nicht...« Sie tippte sich zitternd ans Auge.
    »Seine Augen?« Der Schauder, der Chess den Rücken hinablief, hatte nicht das Geringste mit der Lufttemperatur zu tun.
    »Nicht seine Augen«, sagte Laria, und es klang wie das lang gezogene Stöhnen eines verwundeten Tieres. »Ihre.«
    »Was?«
    Laria begann zu weinen. »Er hatte ihre Augen im Gesicht.«

4
    Sei stets wachsam und wappne dich gegen die Versuchungen
    des Fleisches. Auch Handlungen, die nicht als verboten
    gelten, können unter bestimmten Umständen
    die Seele beflecken.
    Das Buch der Wahrheit , »Regeln«, Artikel 278
    Es klopfte genau in dem Moment, als sie nicht mehr daran glaubte. Typisch Lex. Sie öffnete und nahm sich fest vor, trotz ihrer Müdigkeit ihre Zunge im Zaum zu halten.
    Jedenfalls was das Reden anging. Obwohl sie ihn vorhin am Telefon so abgewürgt hatte, schien er gut drauf zu sein - seinem Kuss nach zu urteilen, der sie ein bisschen schwindlig machte. Als er sich von ihr löste, drückte er ihr einen Plastikbeutel in die Hand. Pillennachschub.
    »Hattest du vor, mich am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen, Tülpi?« Seine dunklen Augen funkelten spöttisch - oder lüstern. Darüber wollte sie sich gar nicht erst den Kopf zerbrechen.
    »Würde dir ganz recht geschehen, so wie du mich abgekanzelt hast. Ich dachte, ich würde in dieser verdammten Gasse

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