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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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hin und her, ohne jemals etwas ruhig zu betrachten. Er rieb sich permanent mit den Daumenspitzen über die Zeigefinger, und sein Puls wollte ihm geradezu aus dem Hals hüpfen. Wenn er sagte, dass er schlecht schlief, log er ganz bestimmt nicht.
    »Ich bin so froh, dass Sie hier sind«, sagte er noch einmal, während er abwechselnd an die Decke, aus dem Fenster und auf seine wippenden Füße blickte. »Wir leben erst seit drei Monaten hier, wissen Sie? Hab das Haus bauen lassen, wir sind eingezogen ... Für Kymmi und mich war das unser Traumhaus. Für meine Frau, Kymmi, und unsere Tochter, Arden, heißt das. Na ja, Sie werden sie ja kennenlernen, wenn Merritt mit ihnen zurückkommt.«
    »Was hat Sie denn veranlasst, hierherzuziehen?«
    »Ich mache eine Fernsehserie: Das Kloster. Comedy.«
    »Ich verstehe.«
    »Ein Kinofilm ist auch im Gespräch. Einer, den ich produziere, meine ich, kein Film zur Serie. Dann brauchte ich nicht mehr so viel arbeiten und müsste nicht in Hollywood bleiben. Wir haben an Arden gedacht ... wenn sie nicht dort leben muss, wächst sie vielleicht ein bisschen normaler auf. Wir wollten irgendwohin, wo es weniger verrückt zugeht, ein bisschen familientauglicher. Ich habe meinem Produzenten gesagt, dass ich hier ein Studio aufbauen und die Serie dann auch hier drehen möchte.«
    Chess verbarg ihre Belustigung, indem sie die Handtasche aufhob und Notizblock und Stift herausholte. Meinte er das ernst? Triumph City war das reinste Drecksloch. Sie hatte die vergangene Nacht damit zugebracht, eine ermordete Prostituierte zu untersuchen, und war Zeugin einer tödlichen Schlägerei zwischen Gangs geworden.
    Dann rief sie sich in Erinnerung, dass Triumph City für Leute wie ihn tatsächlich familientauglicher war. Er lebte schließlich nicht in Downside, und nicht einmal in Cross Town oder Northside. Das Monstrum aus weißen Ziegeln, das er und seine Frau hatten bauen lassen, stand vor den Toren der Stadt, draußen, wo die Straßen und Häuser größer und der Erfahrungsspielraum kleiner wurde. Was einmal eine lebhafte Vorstadt gewesen war, wurde erst jetzt langsam wieder aufgebaut, nachdem die Geisterwoche die Bevölkerung dezimiert und alle in die eingebildete Sicherheit eines Lebens wie im Hühnerstall getrieben hatte.
    Allein der Gedanke an all das freie Land jenseits der Hausmauern gab ihr das Gefühl, beobachtet zu werden, ganz zu schweigen davon, dass die Gesellschaft eines Mannes, der mit Volldampf in die nächste Dimension unterwegs war, ausreichte, um sie kribbelig zu machen. Sie umklammerte den Stift fester und hob den Blick auf der Suche nach etwas, woran sie sich festhalten konnte.
    Sie wurde in der Tat beobachtet. Eine blonde Frau, deren Stupsnase ebenso künstlich war wie ihre violetten Augen, musterte Chess von der Tür her. Ihr Haar fiel in großzügigen Pornostar-Locken auf die Schultern, und das eng anliegende elfenbeinfarbene Kleid betonte den schwellenden Busen und Bauchmuskeln, mit denen sie sicher Nüsse knacken konnte, aber sie war vollkommen unsexy. Sie verströmte nicht die geringste Wärme, keinerlei Intimität, und nichts deutete an, dass sich hinter den auffälligen Augen irgendetwas Interessantes verbarg.
    »Kymmi, meine Liebe«, begann Roger und sprang auf, »das ist Cesaria Putnam von der Kirche. Sie ist hier, um ...«
    »Ich weiß, wer das ist.« Kym Pyle warf ihrem Ehemann einen kalten, schneidenden Blick zu. »Und setz dich bitte nicht auf den Tisch. Das habe ich dir jetzt schon ein paar Mal gesagt.«
    Wirklich eine reizende Familie. Vielleicht verbargen sich unter dem weichen Stoff des Kleides gar nicht Silikon und Muskeln, sondern Stahl und Mikrochips.
    »Entschuldigung, Entschuldigung, Liebes, ich hab’s vergessen.«
    Kym schenkte ihm keine Beachtung und konzentrierte ihre Missbilligung ganz auf die Besucherin. Einen Moment lang sah sich Chess mit den Augen dieser Frau: ihr schwarz gefärbtes Haar mit dem Bettie-Page-Pony, ihren ausgeblichenen roten Pullover, die schwarzen Jeans und die staubigen, abgelatschten Stiefel. Ein Nichts war sie. Niemand von Bedeutung, ein Straßenkind ohne nennenswerte Herkunft. Obwohl Chess sich bei der Arbeit absichtlich um diesen Anschein bemühte, tat es ein bisschen weh.
    Dann war der Augenblick vorüber. Sie war nicht hier, um sich Freunde zu machen. Sie war hier, um jemandem den Arsch aufzureißen, weil er versuchte, die Kirche zu bescheißen, und darin war sie verdammt gut.
    Also erwiderte sie den zickigen Blick mit einer

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