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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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oder wollen Sie einen Gefangenen besuchen?«
    »Gefangenen besuchen.«
    »Name und Todesdatum?«
    Chess sagte es ihr.
    »Unterschreiben Sie bitte hier.«
    Während Chess ihren Namen kritzelte, nahm die Goody eine blassblaue Samtrobe von einem Haken. »Ziehen Sie bitte das hier an. Sie haben das Gefängnis während der Ausbildung schon einmal besucht? Sehr schön. Sie können ihre Kleidung und ihren Besitz in dem Umkleideraum dort drüben lassen. Ich rufe Ihnen den Aufzug.«
    Chess’ Finger zitterten, als sie sich die Stiefel aufschnürte. Sie wollte das nicht tun. Sie warf einen Blick über die Schulter, suchte die geschlossene Tür nach Löchern ab und entdeckte keine. Gut. Eine Gelegenheit, sich ein paar Pillen in den Rachen zu stopfen, was ihre Nerven hoffentlich ein bisschen beruhigen würde, bevor sie in den Aufzug stieg. Es war ein gravierender Fehler, den Toten gegenüber irgendeine Regung zu zeigen, ganz besonders Furcht. Sich vor einem eingesperrten Geist, der in einem eisernen Käfig gefangen gehalten wurde und ständigen Qualen ausgesetzt war, seine Furcht anmerken zu lassen, wäre in etwa so, als schlitzte man sich vor einem halb verhungerten Tiger die Pulsadern auf. Keine gute Idee.
    Sie verdrängte das Bild, zog die schwarze Kreide aus ihrer Handtasche und konzentrierte sich darauf, den Symbolen, die sie sich auf die Stirn und die rechte Wange zeichnete, die nötige Macht zu verleihen und auf die Entscheidung, welche ihrer unvollendeten Tätowierungen sie aktivieren sollte, indem sie die Linien schloss. Die meisten ihrer Tattoos waren vollendet, aber einige waren zu mächtig, um sie ständig aktiviert zu lassen.
    Als sie mit den Markierungen fertig war, fühlte sich ihr ganzer Körper warm an und kribbelte vor Macht. Die Wirkung der Pillen hatte noch nicht eingesetzt, aber das spielte keine Rolle; sie wusste, dass es passieren würde, und sie wusste, dass sie es durchziehen konnte. Das hier war ihr Job. Es war das Einzige, in dem sie wirklich gut war, und sie weigerte sich einfach, sich ins Bockshorn jagen zu lassen.
    Die Robe roch schwach nach Räucherstäbchen und Rauch, nach beruhigenden Düften, die sie an die Kirche erinnerten - und an ... eigentlich wusste sie gar nicht, warum Rauch beruhigend wirken sollte, aber er tat es. Er gab ihr ein Gefühl der Sicherheit, so als wäre der dünne Stoff eine Rüstung. Was er irgendwie auch war.
    Goody Chambers reichte ihr einen Aktenordner - Remingtons Akte — und einen Beutel Friedhofserde. »Ist zwar nur eine Standardwaffe, aber sie wird Ihnen helfen, falls es Probleme gibt.«
    »Danke.« Chess hatte auch noch ein paar Pilze dabei, die sie in die Tasche der Robe schob. Es war nicht viel, aber es würde reichen müssen.
    »Sie haben fünfzehn Minuten«, teilte ihr die Goody mit, als sie die Aufzugtür aufhielt. »Danach lösen wir Alarm aus.«
    Chess nickte. »Danke.«
    »Viel Glück. Fakten sind Wahrheit.«
    »Fakten sind Wahrheit«, gab Chess zurück, und die Aufzugtür fiel ins Schloss. Allein fuhr sie tief unter die Erdoberfläche ins Reich der toten Verbrecher.
    In der Ewigen Stadt herrschte Stille, eine abwartende, angespannte Stille, wie das Schweigen kurz vor dem Fall der Guillotine. Gelegentlich klirrte Metall gegen Metall, und das Echo hallte durch die Leere.
    Gefängnis Nummer zehn aber gehörte nicht zur Stadt, und das erste Anzeichen dafür war die Hitze von den tosenden Feuern und  das Zischen von Ektoplasma auf heißen Kohlen. Chess war dankbar für die dünne Robe; ihre normale Kleidung wäre innerhalb von Minuten schweißnass gewesen. Geister hassten Hitze und verabscheuten Feuer. Chess fühlte sich zwar auch nicht besonders wohl aber wenn die Geister diese Strafe aushielten, konnte sie das jawohl erst recht. Und schließlich konnte sie einfach wieder verschwinden, sobald sie überprüft hatte, ob Remington noch hier war.
    Der eiserne Laufsteg klapperte unter ihren Füßen, als sie das Gefängnis betrat, eine Höhle, die so groß war, dass sie das Ende nicht sehen konnte. Überall in der glühend heißen, bodenlosen Weite sah sie Geister in Eisenkäfigen von der Decke hängen. Die Käfige standen unter schwachem elektrischem Strom, sodass die Geister feste Gestalt annehmen mussten, was ihnen die Flucht unmöglich machte - falls das überhaupt nötig war, denn immerhin war jedes Teil im gesamten Raum schon verhext und magisch gesichert.
    Die Toten beobachteten sie mit leeren Augen und weit aufgerissenen Mündern. Chess kribbelte es am

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