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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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all dem hingen die Schwaden von Dream-Pfeifen, glimmenden Tüten und Klebstoffschnüfflern wie die Ausdünstungen glühender Körper auf zerwühlten Laken.
    Ein heimlicher Nervenkitzel jagte ihr die Wirbelsäule hinauf. In der Ecke scharte sich ein Grüppchen abgerissener, dürrer Teenager um eine einteilige Wasserpfeife und ließ ein Messer auf dem Boden kreisen, um zu bestimmen, wer den nächsten Zug bekam. Am anderen Ende des Raumes war ein Würfelspiel im Gange; der Preis schien aus einer Schnur zu bestehen, an der Betelnüsse und verschrumpelte Pilze aufgefädelt waren. Außerdem wurde überall Schmuck aus Spritzen und Knochen zur Schau gestellt, und weiter hinter stand ein Regal mit Dream-Pfeifen, die mit ihren verschnörkelten Schnitzereien im Feuerschein glänzten.
    Sie war von dem Markt vor ihrer Haustür einiges gewöhnt, aber der hier war noch mal etwas ganz anderes. Der zog ihr restlos die Schuhe aus. Am liebsten hätte sie sich auf der Stelle eingegraben. Das hier war Downside hoch zehn.
    Lex klopfte ihr auf den Arm. »Hör auf zu glotzen, Tülpi. Wirkt verdächtig, weißte?«
    »Ich hab nicht geglotzt.«
    »Nee, aber fast. Komm mit.«
    Sie bahnten sich ihren Weg durchs Gedränge vor den Ständen. An einem präsentierte sich eine nackte Frau mit lauter blauen Strudeln auf der Haut. Sie stand Reklame für einen Typen mit violetten Haaren, der Tätowierungen anbot. Am Ende der Reihe sah Chess einen kleinen Mann bei einem dampfenden Kessel mit grünlicher Suppe, die für ein paar Cent die Schale verkauft wurde. Neben ihm ragte ein Glaskasten auf, der an den Kanten mit Eisenstreben verstärkt war. In dem Kasten befand sich ein Geist.
    Oder wenigstens sah es aus wie ein Geist. Ganz sicher war sie sich nicht. An diesem Ort, wo jeder nur das Verlangen hatte, sich auf dem Altar von Drogen, Sex und Gewalt zu opfern, waren i hre Sinne restlos überfordert. Es wäre ihr schwergefallen, einen echten Geist zu spüren, selbst wenn er direkt hinter ihr stünde und ihr eine Schlinge um den Hals legte.
    Aber das Wesen in dem Kasten hatte den starren, wütenden Blick eines Geistes und den blinden, ziellosen Hass, den die Toten an den Tag legten, wenn sie sich außerhalb der Stadt der Ewigkeit befanden.
    Als der kleine Mann ihre Neugier bemerkte, entblößte er die Zähne zu einem schmierigen Grinsen und drückte einen Knopf an der Seite des Kastens. Der Geist im Inneren machte einen Satz, schlug einen Moment um sich und erstarrte dann wieder. Elektrischer Strom, der den Geist zwang, feste Gestalt anzunehmen. Geisterfolter der raffiniertesten Art.
    »Ein Geschenk für die Dame«, sagte der Mann, als das nächste Lied anfing, und grinste sie und Lex anzüglich an. »Die Dame hat doch sicher ein Geschenk verdient?«
    Lex ignorierte ihn und ging weiter. Chess folgte mit hoch erhobenem Kopf, versuchte aber aus den Augenwinkeln, so viel wie möglich von der verlockenden, gefährlichen Welt aufzunehmen.
    Gemeinsam stiegen sie eine schmale, rostige Eisentreppe hinauf, die mit Bolzen an der Wand befestigt war. Sie klapperte bei jedem Schritt und berieselte die darunter Stehenden mit Rostflocken. Chess fragte nicht, wohin sie gingen. Es spielte keine Rolle.
    Die Treppe führte zu einem Fenster, und hinter dem Fenster draußen in der eiskalten Luft lag das Flachdach des Nachbargebäudes. Ein Mann mit zwei schartigen Beilen nickte Lex zu und winkte sie durch. Dann saß Hat Trick vor ihnen.
    Er war verblüffend klein und plump und kauerte auf einem Hocker, der selbst für den zwergenhaftesten Mann zu winzig schien. Sein Alter konnte Chess nicht schätzen; mal wirkte er verknittert wie ein Greis, mal glatt und faltenlos wie ein junger Mann. Das musste irgendeine Magie sein, überlegte sie, aber etwas Derartiges hatte sie noch nie gesehen. Jeder kaufte die unterschiedlichsten Schönheitszauber oder versuchte, welche herzustellen, aber die meisten waren wirkungslos - eine Tatsache, die die Kirche für gewöhnlich lieber nicht an die große Glocke hängte, weil sie genau wusste, dass es bei diesen Dingen ohnehin mehr darauf ankam, wie stark die Nutzer an die Wirkung glaubten.
    Aber dieser Zauber hier funktionierte, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad. Wäre Chess nicht, wer sie war, hätte sie Hat Trick tatsächlich für den jungen, gut aussehenden Mann gehalten, von dem sie nur ab und zu ein schattenhaftes Bild erhaschte. Sie war sich allerdings sicher, dass Lex ihn ausschließlich so sah; er hatte ungefähr so viel Gespür für Magie

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