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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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das Geräusch hörte.
    Da kratzte und quietschte etwas wie Fingernägel auf Glas.
    Träge rollte sie sich auf die andere Seite. Lex rührte sich nicht; er atmete tief und gleichmäßig. Sie zupfte sich das T-Shirt zurecht - komisch, dass sie hier nicht nackt im Bett lag - und zog sich die Decke wieder über die Schultern. Wahrscheinlich nur ein Zweig am Fenster. Der Wind hatte aufgefrischt, als sie sich endlich so weit beruhigt hatte, dass sie Lex anrufen konnte, damit er sie abholte. Der Wind hatte ihr das Haar ins Gesicht geweht und ihr den Atem verschlagen, als sie aus dem Tunnel aufgetaucht waren.
    Vor Lex’ Fenster standen überhaupt keine Bäume.
    Wieder dieses Quietschen.
    Sie fuhr auf und warf so hastig den Kopf herum, dass ihr schwindelig wurde. Irgendwas war draußen am Fenster. Im vierten Stock.
    Sie streckte die Hand nach Lex aus, um ihn zu wecken, damit er nachsehen ging, hielt sich dann aber zurück. So was machten doch nur feste Freunde, oder? Feste Freunde und Ehemänner. Lex war keins von beidem. Sie würde nicht von ihm verlangen, dass er ihre Kämpfe für sie austrug, so verlockend es auch war. Vor allem nicht, wenn der Wecker ihr verriet, dass es kurz vor fünf war.
    Außerdem hatte sie den Verdacht, dass er gegen das, was vor dem Fenster lauerte, nicht das Geringste ausrichten konnte.
    Sie schlüpfte aus dem Bett und wünschte, dass sie mehr anhätte als bloß ein T-Shirt. Ein Paar Socken wäre schon hilfreich gewesen. Bei Licht betrachtet war ihr klar, dass wahrscheinlich nichts, was sich dort draußen verbarg, ihr gefährlich werden konnte; Geister konnten nicht fünfzehn Meter über dem Boden schweben, und alles andere würde nicht durch die Wand kommen.
    Aber barfuß und mit nackten Schenkeln, an denen die kühle Luft vorbeistrich, fühlte sie sich besonders verletzlich. Und sie ahnte schon, dass das, was sie draußen vor dem Fenster erwartete, ihr das Gefühl nicht nehmen würde.
    Sie schlang die Arme fest um sich. Als sie am Fenster angekommen war, waren ihre nackten Füße von dem kalten Boden bereits taub.
    Was sie sah, als sie die Jalousie ruckartig hochzog - sie tat es so schnell, dass das Ding sofort wieder surrend herunterschnellte —, betäubte dann den Rest von ihr so nachhaltig wie eine Stunde Pfeiferauchen.
    Eine Eule. Nein, nicht eine Eule. Die Eule. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Virginia-Uhus gleichzeitig in Downside auftauchten, war ebenso gering wie die, dass eine drogensüchtige Kirchenhexe zur Ältesten ernannt wurde. Ein Indiz allerdings machte die Sache völlig eindeutig: der Vogel trug einen Augapfel im scharfen, grausamen Schnabel.
    Er starrte sie mit kalten Augen durch die Scheibe an. Es verschlug ihr den Atem. Sie stand da wie versteinert und verlor sich in dem bodenlosen, leere Blick. Die Eule. Die Todesbotin. Wer war gerade eben gestorben? Wessen noch warmes, bluttriefendes Auge trug sie im Schnabel?
    Und wer würde das nächste Opfer sein? Chess hatte einen todsicheren Tipp, was Letzteres anging.
    Die Eule schlug mit den Flügeln und riss Chess aus ihrer Versenkung.
    »Arcranda beliam dishager«, flüsterte sie und legte ihre ganze Macht in die Worte, bis sie spürte, wie ihre Magie durch das Glas fuhr und den warmen, gefiederten Körper traf. Sofort strömte die Energie zurück, blutrot und angereichert mit dem bereits allzu vertrauten klebrigen Ziehen von Sexmagie. Chess biss die Zähne zusammen und sträubte sich gegen die eigene Reaktion, weigerte sich, darauf einzugehen, obwohl sie wusste, dass es der Eul e vollkommen egal war. Sie war nur ein Werkzeug, keine Magierin. Aber wer das Werkzeug führte, beobachtete sie, da war sie ganz sicher. Von einem Dach, vom Boden, von irgendwoher. Er sah ihr zu. Bastard.
    Die Eule schlug erneut mit den Flügeln und sprang vom Fenstersims. Chess stand da und sah zu, wie sie fiel, dann eine Luftströmung erwischte und sich wieder aufschwang, fort über die verfallenden Dächer von Downside, bis sie in der Dunkelheit verschwunden war.
    Ohne nachzudenken kroch sie zurück ins Bett und starrte die Decke an, bis Lex gegen Mittag aufwachte.
    Tote Nutten. Es waren jetzt schon vier tote Nutten - Slobags nicht mitgezählt -, und auf der Straße hatte es den ganzen Morgen lebhaftes Gerede über die zweite Leiche gegeben, die man kurz vor Sonnenaufgang oben an der siebzigsten Straße entdeckt hatte, die Nutte, deren Augen die Eule vor Lex’ Fenster gefressen hatte.
    Und Terrible hatte nicht angerufen, um sie davon in Kenntnis zu

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