Seepest
einmal davon ab, dass wir drei
weitere Tote haben.«
»Wie bitte?«, rief sie in schrillem Diskant. »Wer?«
»Sie werden es nicht glauben: Neben diesem ominösen
Glatzkopf …«
»… der uns den Stick von den angeblichen
Islamisten zugespielt hat?«
»Genau. Außerdem hat es Erich Rottmann erwischt, den
Biotecc-Boss. Vom Zug überfahren, Näheres kann ich noch nicht sagen.«
»Ich bin platt! Und der Dritte?«
»Ein gewisser Dr. Stratton, arbeitet für Biotecc –«
»Stratton? Paul Stratton?«, unterbrach sie ihn
aufgeregt.
»Sie kennen den Mann?«
»Als ›kennen‹ würde ich das nicht bezeichnen. Ich
wurde rein zufällig Zeugin einer Auseinandersetzung zwischen ihm und Alex
Rottmann, in Strattons Biotecc-Labor. Es ging wohl um die Nebenwirkungen eines
Produktes. Es fiel kein Name, aber inzwischen würde es mich ehrlich gesagt
nicht wundern, wenn von FE .23 die Rede war. Die beiden haben sich ordentlich gekabbelt, Stratton
wollte alles hinschmeißen, daraufhin hat Alex klein beigegeben. Der Mann ist
übrigens erste Sahne. In seinem Fach, meine ich. Hab mich im Internet
schlaugemacht.«
»Interessant! Haben Sie sonst noch etwas Erhellendes
aufgeschnappt?«
»Nein … oder doch: Als ich hinzukam, sagte Stratton
gerade, er würde die Unterlagen über die Versuchsreihe bis zu deren Ende unter
Verschluss halten. Alex war ganz schön sauer, als er merkte, dass ich Zeuge
ihrer Auseinandersetzung geworden war … richtiggehend gekocht vor Wut hat er.«
»Hm … ist doch komisch, dass ausgerechnet Sie immer im
richtigen Moment am richtigen Ort sind! Wie machen Sie das nur?«
»Ach, sparen Sie sich Ihren Sarkasmus …«
»Nein, ganz im Ernst, Frau Winter«, bekräftigte Wolf,
»schließlich profitiere ich von Ihrer Spürnase. Bitte lassen Sie rasch von sich
hören, sobald Sie zurück sind; Sie können mich zu jeder Tages- und Nachtzeit
erreichen. Und passen Sie auf sich auf, ja?«
Er unterbrach die Verbindung und überlegte einen
Moment, bevor er eine neue Nummer wählte. »Leo hier, hallo, Ernst. Können wir
uns sprechen? Möglichst schnell bitte, die Sache duldet keinen Aufschub … Gut,
in einer Viertelstunde bin ich bei dir.«
Nun erst fiel ihm auf, dass er sich noch immer in der
Pathologie befand. »Entschuldigen Sie, Franzi«, sagte er an die
Gerichtsmedizinerin gewandt, die sich während seines Telefonates in einen
Nebenraum zurückgezogen hatte und nun, eine Hand auf dem Rücken, wieder den
Sezierraum betrat.
»Sie sehen aus, als kämen die Dinge langsam in Fahrt«,
bemerkte sie.
»So ist es, Franzi – wird aber auch höchste Zeit!
Erinnern Sie sich noch an unseren Abend im Comturey-Keller? Da hat die ganze
Chose angefangen – dabei ist das gerade mal drei Tage her! Drei verdammt lange
Tage, in denen der Fall beständig eskalierte, ohne dass wir seiner Lösung auch
nur einen Schritt nähergekommen wären. Jetzt endlich hab ich das Gefühl, der
Knoten ist geplatzt …« Hektisch sah er auf die Uhr. »Oh, ich muss los, Sommer
erwartet mich. Franzi, wir sehen uns. Und vielen Dank für die Information.«
»Sie sind mir einer«, antwortete sie vorwurfsvoll und
brachte eine Flasche mit dunkelgelbem Inhalt hinter ihrem Rücken hervor. »Jetzt
wollte ich Sie mit einem Pastis überraschen …«
Bedauernd zuckte Wolf mit den Schultern. »Das ist ewig
schade, wirklich, Franzi. Aber leider: Dienst ist Dienst …«
»Kaffee,
Leo?«
»Immer.« Wolf hatte an der rückwärtigen Seite von
Sommers Schreibtisch Platz genommen.
Er hatte kaum ausgesprochen, da erschien Frau Bender
und stellte eine dampfende Tasse vor ihn hin. »Schwarz, ohne Zucker, richtig?«,
sagte sie. Es klang eher wie eine Feststellung denn wie eine Frage.
»Danke. Ihr Gedächtnis
möchte ich haben«, gab Wolf freundlich lächelnd zurück.
Als Sie die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte,
fasste Sommer seinen Besucher ins Auge. »Also, Leo?«
»Sieht so aus, als wäre der Knoten geplatzt«,
wiederholte Wolf. In knappen Sätzen schilderte er die Ermittlungsergebnisse des
heutigen Tages, bevor er an seiner Tasse nippte.
Nachdenklich lehnte sich Sommer zurück. »Leschek will
also den Kronzeugen machen, sagst du. Und wie soll der Deal aussehen? Es wird
doch einen Deal geben, oder irre ich mich da?«
»Die Frage ist eher, wer den Deal mit ihm aushandelt.
Schneidewind will Leschek jedenfalls nicht als Vertreter der Staatsanwaltschaft
akzeptieren, das hat er unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.«
»Interessant. Und
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