Seepest
warum?«
»Das hat er für sich behalten. Aber wenn du mich
fragst …« Den Rest des Satzes ließ Wolf in der Luft hängen. Er stand auf, ging
ans Fenster und starrte in den Himmel.
»Komm schon, Leo, raus mit der Sprache.«
Wolf wandte sich abrupt zu Sommer um. »Wir schlachten
gerade eine heilige Kuh, Ernst, ist dir das klar?«
Sommer winkte ab. »Noch wissen wir nicht, ob sie
schlachtreif ist«, erklärte er. »Also?«
Wolf druckste herum, bevor er sich zu einer Antwort
entschloss. »Für mich steht eindeutig fest – wenngleich ich es nicht beweisen
kann –, dass Schneidewind die Ermittlungen in unserem Fall in eine bestimmte
Richtung lenken wollte. Und jetzt frag ich dich: warum?«
»Du meinst, jemand hat ihn gekauft.«
»Zumindest können wir es nicht ausschließen. Warum
sonst sollte Leschek darauf bestehen, Schneidewind aus dem Fall heraushalten?«
»Hmm … da magst du recht haben.« Jetzt erhob sich auch
Sommer, nachdenklich stellte er sich neben Wolf. »In der Tat: Falls dein
Verdacht zutrifft, steht Schneidewind aufseiten der Männer, die Leschek
verraten will. Leschek bekäme ein Problem. Schneidewind würde sich auf keinen
Deal einlassen, und Leschek weiß das nur zu genau. Im Gegenteil, Schneidewind
würde alles tun, um einen Mann, der ihn enttarnen könnte, mundtot zu machen.«
»Nicht unbedingt. Er könnte Leschek ja auch
manipulieren.«
»Manipulieren?«
»Ja. Er könnte, wenn er sich selbst bedroht fühlt,
Leschek beeinflussen, nur bestimmte Fakten preiszugeben. Das wäre für beide
effektiver, als sich einem Deal zu verweigern, denke ich.«
»Da kannst du recht haben«, meinte Sommer
nachdenklich. »Ich brauche wohl nicht zu fragen, auf wessen Gehaltsliste
Schneidewind deiner Meinung nach steht, nicht wahr?«
»Biotecc«, antwortete Wolf, ohne zu überlegen.
»Das ist mir zu schwammig! Ein Unternehmen kann
niemanden bestechen. Dahinter stehen immer Individuen … Menschen, die einen
Nutzen davon haben! Wer fällt dir dazu ein?«
»Eigentlich nur einer: Alexander Rottmann. Bestechen,
korrumpieren, vertuschen – das würde zu dem Bild passen, das ich von ihm habe …
und auch Karin Winters Meinung von ihm entsprechen.«
»Gut, Leo. Aber du weißt selbst: Spekulieren bringt
uns nicht weiter. Um dem bösen Verdacht nachzugehen, brauchen wir Fakten, harte
Fakten, egal woher – notfalls von Leschek. Mit anderen Worten: Wir sollten die
Chance nutzen und ihm den erforderlichen Deal anbieten, das heißt, sofern der
Preis vertretbar ist. Ich werde gleich mit Dr. Seliger darüber sprechen;
mit dem verstehe ich mich ganz gut, der legt nicht gleich jedes Wort auf die
Goldwaage. Sobald ich Näheres weiß, melde ich mich, okay?«
Kaum
in sein Büro zurückgekehrt, griff Wolf zum Telefon und wählte die Nummer des
Landeskriminalamts in Stuttgart.
»Wolf hier von der Kripo Überlingen. Würden Sie mich
bitte mit der Zielfahndung, Hauptkommissar Wolf, verbinden … Nein, Sie haben
sich nicht verhört: Mein Name ist Wolf … und ich
möchte, dass Sie mich mit Ihrem Herrn Wolf verbinden,
Hauptkommissar Henning Wolf. Ich bin sein Vater.« Endlich schien sie’s
gefressen zu haben.
Gleich darauf vernahm er die Stimme seines Sohnes.
»Hallo, Vater, schön, dass du anrufst. Hast du dir unser letztes Gespräch noch
einmal durch den Kopf gehen lassen? Können wir reden?«
»Ja, wir können reden, aber nicht hier und nicht
jetzt. Lass mir noch einen oder zwei Tage Zeit, ich muss erst unseren aktuellen
Fall zum Abschluss bringen –«
»Der terroristische Anschlag vor der Insel Mainau,
dazu Entführung und Brandstiftung – ich habe davon gehört«, wurde er von seinem
Sohn unterbrochen. »Drei Tote, wenn ich mich recht entsinne.«
»Fünf! Inzwischen sind es fünf Tote. Wenn das so
weitergeht … aber lassen wir das. Warum ich dich anrufe – die Sache ist die: Du
kannst mir helfen. Hör zu …«
***
So
überraschend, wie sie begonnen hatte, war der Beschuss von Pablos Gruppe
eingestellt worden. Karins Anruf bei Alex hatte sich als Volltreffer erwiesen.
Falls es überhaupt noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Schützen in
seinem Auftrag gehandelt haben – damit hat er ihn erbracht, dachte Karin, da
mochte er seine Beteiligung noch so vehement bestreiten. Warum aber hatte er
sich überhaupt dazu hinreißen lassen? Warum wollte er sie hier weghaben, selbst
auf die Gefahr hin, dass Menschenleben zu beklagen waren?
So oder so, sie hatten genug gesehen und ihre Fahrt
nach Muxía
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