Seepest
Arm zur Tür.
Auch in diesem Punkt erwiesen sich die Mädchen als
Profis –wenige Sekunden später waren sie verschwunden. Der Teufel mochte
wissen, wo sie sich ihre Fummel überstreiften.
»Entschuldige die Unerbrechung …«
»Du hast doch nicht etwa Damenbesuch?«, kam es
misstrauisch zurück.
»Wo denkst du hin, Mutter!«
»Sähe dir ähnlich! Also: Wie laufen deine Gespräche?
Was sagt Dr. Herterich zu den Verträgen? Du weißt, wir müssen heute noch
zu Potte kommen, ich habe für morgen Vormittag Rückflüge gebucht.«
»Alles bestens, Mutter, wir kommen voran.«
»Geht’s ein bisschen genauer?«
Alex verzog das Gesicht. »Doch nicht jetzt. Du musst
dich gedulden.« In diesem Moment klopfte es an der Tür. »Wer ist da?«, brüllte
er.
»Roomservice.«
»Ich habe nichts bestellt.«
»Eine Aufmerksamkeit der Direktion für Sie.«
Das Telefon in der Hand, betätigte Alex missmutig den
Türöffner, bevor er auf dem Absatz kehrtmachte und in den Salon zurückkehrte.
»Stellen Sie’s auf den Tisch«, rief er über die Schulter zurück.
Als er das Telefon wieder ans Ohr hob, stellte er
fest, dass die Verbindung unterbrochen worden war. Trotz mehrmaligen
Hallo-Rufens blieb die Leitung tot. Merkwürdig. Ein Funkloch? Hier in der
Stadt? Unmöglich.
Jetzt erst fiel ihm auf, dass er das Schließen der Tür
nicht gehört hatte. Voll böser Ahnungen drehte sich um – und blickte in die
Mündung einer Pistole.
***
Anerkennend
ließ Karin den Blick durch Elenas Zimmer schweifen. Es war nicht nur größer als
ihre Bleibe in der vergangenen Nacht, sondern auch heller und hübscher
eingerichtet. Pablo hatte sich erboten, drei Pizzen zu besorgen – bis am Abend
im »Don Miguel« das Essen auf den Tisch kam, würden noch Stunden vergehen.
Unterdessen hatte Karin ihre E-Mail verschickt und
wartete nun auf Manus Rückruf. Der ließ nicht lang auf sich warten.
»Hallo, Karin, wie läuft’s?«
»Erzähl ich dir morgen. Hast du die Bilder, die ich
dir geschickt habe, überprüft?«
»Hab ich. Verdammt wilde Gegend, muss ich schon sagen.
Aber zum Thema: Aus der Bildserie ließen sich mit einiger Mühe die Gesichter
der beiden Schützen herausfiltern. Die Visagen sehen den beiden
Rottmann-Entführern verblüffend ähnlich, ganz besonders die eine …«
»Moment – woher weißt du, wie die aussehen?«
»Ganz einfach: Von den Phantombildern, die uns dein
Kommissar Wolf geschickt hat. Von einem der beiden war auch ein Foto dabei. Und
der Name: Andy Warholl.«
»Ach sieh mal einer an! Schick mir die Bilder gleich
auf mein Handy. Und danke, Manu, du hast mir sehr geholfen. Alles Weitere dann
nach meiner Rückkehr. Tschau!«
Kaum hatte Karin ihr Gespräch beendet, kehrte Pablo
zurück. Er stellte drei flache Kartons auf den Tisch, aus denen es
verführerisch duftete. Während sie schweigend aßen, betrachtete Karin die
Phantombilder auf ihrem Display.
Pablo ließ die Bemerkung fallen, Karin könne, wenn sie
wolle, ebenfalls in diesem Hotel übernachten. Es sei überraschend ein Zimmer
frei geworden, wie der Besitzer auf seine Rückfrage versichert habe.
»Das ist gut, hier gefällt’s mir«, äußerte sich Karin
erfreut. »Jetzt muss ich lediglich noch einen Platz in der ersten Maschine nach
Friedrichshafen oder Stuttgart ergattern.«
»In dieser Jahreszeit klappt das sicher, du wirst
schon sehen.« Elena versuchte, Zuversicht auszustrahlen, was ihr gründlich
misslang.
»Willst du mir nicht sagen, was dich bedrückt?«,
fragte Karin.
»Ach, nichts Bestimmtes«, winkte sie ab. »Es ist nur …
es kommt im Moment so viel zusammen.«
***
Für
einen Moment setzte Alex’ Herzschlag aus. Blitzartig war ihm bewusst geworden,
welch unverzeihlichen Fehler er begangen hatte. Im Vertrauen auf die
Hotelroutine hatte er einen Fremden in seine Räume gelassen – er, der
Übervorsichtige, der Berechnende, der alles mehrmals im Vorfeld prüfte und
abwog und jede noch so schwierige Situation zu kontrollieren wusste.
Doch für Selbstvorwürfe war es jetzt zu spät. Er zwang
sich zur Ruhe und sah sich den Eindringling hinter der Pistole an, einen jungen
Mann, kaum älter als siebzehn, achtzehn Jahre, mit wettergegerbtem Gesicht, von
einem dunklen Haarschopf umrahmt. In den ausgestreckten Händen hielt er die
entsicherte Waffe, mit der er Alex zu einem Sessel dirigierte.
»Was willst du?« Alex hatte in den Augen des jungen
Mannes ein Flackern bemerkt und versuchte nun, durch aufgesetzte Gelassenheit
seine eigene
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