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Seepest

Seepest

Titel: Seepest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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meinen, die hatten Kohldampf?«, entgegnete Wolf
grinsend. Das gestelzte Gehabe der Hotelleute ging ihm langsam auf die Nerven.
    Zu seiner Überraschung grinste Paul zurück. »So könnte
man es ausdrücken, Herr Kommissar.«
    Na also, geht doch, dachte Wolf und fuhr fort: »Wissen
Sie noch, was die beiden bestellt haben?«
    Paul blies die Backen auf. »Lassen Sie mich überlegen … ich glaube, sie hatten … oder nein, doch nicht … Aber das haben wir gleich.
Die Männer saßen an Tisch siebzehn. Ich lasse mir einfach eine Rechnungskopie
ausdrucken. Bitte gedulden Sie sich einen Moment, ich bin gleich zurück.«
    Kurz darauf drückte er Wolf einen Papierstreifen in
die Hand.
    Wolf verabschiedete sich und überließ Paul wieder
seinen Gästen. Dann schlug er seinen Mantelkragen hoch und verließ das Hotel.
Es hatte heftig zu regnen begonnen. Ziemlich durchnässt erreichte er seinen
Wagen und ließ sich auf den Fahrersitz fallen.
    Er holte erst mal tief Luft, schaltete die
Innenbeleuchtung an und vertiefte sich in den Rechnungsbeleg. Mit zufriedenem
Grunzen ließ er das Papier schließlich sinken.
    »Tja, hat meine Ahnung mich also doch nicht
getrogen!«, murmelte er. Langsam kurbelte er das Fenster herunter und zündete
sich eine Zigarette an, bevor er den Motor startete und losfuhr.

6
    Wie an jedem Spätnachmittag summte der
Redaktionssaal des »Seekurier« wie ein Bienenstock. Während flinke Finger auf
Tasten hämmerten, Telefone glühten und Zurufe hin und her flogen, blätterte
Karin Winter gelassen in einer Ausgabe des Korans. Sie war die Hektik ringsum
gewohnt, und solange keine Abgabetermine für ihre eigenen Beiträge drängten,
konnte sie nichts und niemand aus der Ruhe bringen.
    Sie unterbrach ihre Suche nach der Textstelle, die auf
dem Flugblatt der Islamisten abgedruckt war, um sich kurz nach Manu umzuwenden.
    »Kommst du klar?«, fragte sie ihre frischgebackene
Assistentin.
    »Natürlich. Bin beinahe durch.«
    In diesem Augenblick zog ein kurzer Tumult im
Eingangsbereich Karins Aufmerksamkeit auf sich. Offenbar wollten einige
Mitarbeiter jemanden am Betreten des Redaktionssaales hindern, wenn auch ohne
Erfolg. Denn unvermittelt schlüpfte ein Junge, nicht älter als zwölf Jahre,
zwischen ihnen hindurch und rannte auf die Schreibtische zu.
    »Post für Frau Winter«, rief er mit heller
Knabenstimme und streckte ein weißes Kuvert in die Höhe. Leicht außer Atem
machte er vor Manu Halt. »Sind Sie Frau Winter?«, wollte er wissen. Wortlos
wies Manu einen Tisch weiter. Der Junge legte Karin das Kuvert hin und machte
Anstalten, davonzulaufen.
    »Stopp, mein Kleiner!«, rief Karin schneidend. Sie
sprang auf und bekam ihn am Ärmel zu fassen, doch der Junge war nicht zu
halten. Als er sich umdrehte, um zum Ausgang zu laufen, schlug er jedoch
unvermittelt der Länge nach auf den Boden. Manu hatte ihm ein Bein gestellt.
Schon zog sie den sich heftig Wehrenden hoch und versuchte, ihn zu beruhigen.
Um sie herum hatte sich ein kleiner Auflauf gebildet.
    Karin sah sich das Kuvert an. » SEEKURIER,
FRAU WINTER «, stand in Druckbuchstaben auf der Vorderseite; einen
Absender allerdings suchte sie vergebens. Der Briefumschlag enthielt fühlbar
einen schmalen, länglichen Gegenstand von etwa einem halben Zentimeter Dicke.
    »Kein Grund zur Panik«, rief sie ihren Kollegen zu.
Noch immer neugierig begaben sie sich auf ihre Plätze. Mit spitzen Fingern
hielt sie dem Jungen das Kuvert unter die Nase. »Was ist da drin?«, fragte sie
scharf.
    Sie erntete lediglich ein Schulterzucken.
    »Na gut. Dann sag mir wenigstens, wer dich geschickt
hat.«
    »Darf ich nicht«, maulte er zurück.
    Daraufhin änderte Karin ihre Taktik. Mit sanfter
Stimme fragte sie: »Was hat er dir dafür gegeben? Na komm schon.« Als der Junge
beharrlich schwieg, fuhr sie fort: »Ich geb dir noch fünf Euro dazu, wenn du’s
mir sagst. Wie heißt du eigentlich?«
    Der Junge schlug die Augen zu Boden. »Kevin. Ich hab
den Mann noch nie gesehen, ehrlich. Ich weiß nur, dass er keine Haare mehr hat …«
    »Du meinst, er hatte eine Glatze?«
    »Genau. Er hat mir auf dem Landungsplatz den Brief in
die Hand gedrückt und gesagt, ich solle ihn hier bei Ihnen abgeben. Dann hat er
mir fünf Euro gegeben.«
    »Also gut«, seufzte Karin und ließ ihn los. »Verrätst
du mir auch deinen Nachnamen?«
    »Klein. Kevin Klein.«
    »Gut, Kevin, du kannst gehen.«
    Der Junge schien seine Angst inzwischen verloren zu
haben. Ungerührt hielt er die Hand auf.

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