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Seepest

Seepest

Titel: Seepest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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»Meine fünf Euro«, forderte er.
    Karin drückte ihm den Schein in die Hand, nur mit Mühe
konnte sie sich ein Grinsen verkneifen. Wortlos steckte der Junge das Geld in
seine Hosentasche, bevor er sich abrupt umdrehte und hinausrannte – offenbar
traute er dem Frieden doch nicht so ganz.
    In der Zwischenzeit hatte Karin das Kuvert vorsichtig
geöffnet. Einer jener länglichen USB -Sticks, wie
sie heute zur externen Datenspeicherung in jedem Büro verwendet werden,
rutschte heraus. Karin holte ein Tempotaschentuch aus ihrer Tasche, bevor sie
die Kappe abnahm und den Stick in die passende USB -Schnittstelle
ihres Notebooks steckte – bei anonym zugespielten Teilen konnte man schließlich
nie wissen!
    Auf dem Bildschirm erschien ein Fenster, das die
gespeicherte Datei anzeigte. Kaum hatte Karin deren Namen erfasst, da wusste
sie, dass ihre Vorsicht begründet war.
    »Manu, kommst du mal?«, rief sie angespannt.
    Gemeinsam starrten sie den Dateinamen an.
    »Echt krass!«, flüsterte Manu beeindruckt. »›Im Namen
Allahs, des Erbarmers‹«, las sie halblaut vor.
    »Als ob ich’s geahnt hätte!«, rief Karin triumphierend
und öffnete die Datei. Fast zeitgleich mit dem Tastendruck ging ein Ruck durch
die beiden Frauen.
    »Dies ist die Botschaft des Islamischen Kalifats
Khalilullah …«, stand da.
    »Sind das nicht die Leute, von denen das Flugblatt
stammt?«, krächzte Manu und wies mit zittrigem Finger auf die erste Zeile.
    Karin nickte, ehe sie halblaut weiterlas: »›Zerstört
die Lebensräume der Ungläubigen, der Gottlosen und Dekadenten, auf dass sie zu
ihrem Schöpfer finden. Macht unbrauchbar ihre Gewässer und ihr Land ringsum,
auf dass es sie Demut und Gottesfurcht lehre, so hilft uns Allah wider das
ungläubige Volk.‹«
    »Uff!«, stöhnte Manu und richtete sich auf. »Ich
kann’s kaum glauben. Was machen wir nun damit?«
    »Du kopierst die Datei auf meine Festplatte. Und zieh
zusätzlich eine externe Kopie. Ich versuche derweil, Kommissar Wolf zu
erreichen.«
    ***
    Wolf
hatte sicher viele Stärken. Musikalität gehörte eindeutig nicht dazu. Nur gut,
dass niemand hörte, wie er laut pfeifend nach Überlingen zurückfuhr. Gut auch,
dass er die Scheiben seines Wagens geschlossen hatte – seine Fassung der »Marseillaise«
hätte jedem zufällig am Straßenrand Stehenden kalte Schauer über den Rücken
gejagt.
    Während er mit spitzen Lippen die passenden Töne
suchte und seine Linke den Takt auf dem Lenkrad schlug, durchquerte er
Sipplingen und fuhr auf Goldbach zu; bereits in wenigen Minuten würde er
Überlingen erreichen. Vergessen war der angestaute Frust über die Öchsle und
Mayer zwo. Staatsanwalt Schneidewind konnte ihm sowieso gestohlen bleiben. Er
versuchte, sich dessen Gesicht vorzustellen, wenn er ihn, ganz beiläufig, mit
dem Ergebnis seiner Recherche konfrontierte. Schon wollte er lauthals in Lachen
ausbrechen, als ein Klingeln seine Gedanken unterbrach.
    »Hallo, Chef! Rufen Sie bitte die Winter zurück? Sie
sagte, es sei dringend«, quäkte Jos Stimme aus der Freisprecheinrichtung. »Wo
sind Sie gerade?«
    »Auf der Rückfahrt von Ludwigshafen.«
    »Dann stellen Sie doch mal Ihr Radio an. Jetzt hängt
sich nämlich sogar die hohe Politik in unseren Fall.« Noch ehe er eine Frage
stellen konnte, war die Verbindung bereits wieder unterbrochen.
    »Das hab ich gern«, murrte Wolf mit gerunzelter Stirn.
»Erst gackern und dann nicht legen!« Was sollte das Geschwätz von »hoher
Politik«? Und warum sollte sie sich in den Fall reinhängen? Schließlich siegte
die Neugier, und er drehte das Radio auf. Schon flogen ihm bedeutungsschwangere
Sätze um die Ohren.
    »… und wenn diese selbst
ernannten Glaubenskrieger meinen, sich gefahrlos an unserer Landschaft, unseren
Ressourcen, unseren Kulturgütern vergreifen zu können, Leute, bei denen es sich
in Wahrheit um ganz gewöhnliche Kriminelle handelt und die nur ein Ziel kennen,
nämlich mit ihren verquasten Ideen unser Land und unsere Bevölkerung in Angst
und Schrecken zu versetzen, dann sage ich: Diese Leute haben sich geschnitten!
Nicht mit uns, rufen wir ihnen zu, meine sehr verehrten Damen und Herren …«
    Als Wolf die Stimme erkannte, verzog er das Gesicht.
Das war doch der Blattner-Schorsch, mehrheitlich gewählter
Bundestagsabgeordneter der »sehr geehrten Damen und Herren« des Wahlkreises
Bodensee.
    Was sollte dieser Auftritt? Was trieb ihn dazu, in
dieser Schärfe Stellung zu beziehen, wo die Ermittlungen doch gerade

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