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Seepest

Seepest

Titel: Seepest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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lautes Getue sollte den Mitverschwörerinnen signalisieren:
Der Erwartete ist eingetroffen! Ziemlich sicher hatte sie mit ihren
»Verbindungen« zur Kripo geprahlt und den Freundinnen einen leibhaftigen
Kriminalhauptkommissar versprochen. Wolf graute bei dem Gedanken, den Abend
inmitten eines Zirkels weiblicher Amateurdetektive oder, schlimmer noch,
verhinderter Krimiautorinnen verbringen zu müssen. Zähneknirschend schluckte er
seinen Ärger hinunter, bemüht, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Das würde
er der Öchsle noch heimzahlen – und er hatte auch schon eine Idee, wie er es
anstellen könnte!
    »Darf ich bekannt machen«, übernahm Frau Öchsle nun
die Initiative: »Das sind meine Freundinnen Elvira, Helga, Marianne und –«
    »… und ich bin Gräfin Lieselotte«, fiel ihr eine
schlanke Schwarzhaarige ins Wort, die sich von ihrem Stuhl erhoben hatte und zu
ihnen getreten war. Ihr Blick glitt kurz über Wolfs Kopfbedeckung, bevor sie
sich näher an ihn heranschob.
    Die Öchsle machte ein Gesicht, als hätte sie in eine
Zitrone gebissen. »Genau, das ist unsere Gräfin«, ergänzte sie muffig und fügte
mit Leidensmiene hinzu: »Sie gehört eigentlich nicht fest zu unserem Kreis,
müssen Sie wissen …«
    »Ach, jetzt plötzlich?«, brauste die Gräfin auf. »Aber
um deinen Champagner billig zu beschaffen, dafür bin ich recht, nicht wahr?«
    Zickenkrieg – das hatte ja gerade noch gefehlt! Wolf
war nahe daran, sich unter irgendeinem Vorwand zu verdrücken, da sprach ihn
eine kleine Mollige mit roten Apfelbäckchen und Lachfältchen um Mund und Augen
an – Helga, wenn er sich recht erinnerte.
    »Also wenn ich da an Ihren letzten Fall denke, Herr
Wolf, wo Sie … also, wo Sie diese Sekte – wie hieß die doch gleich?«
    »Du meinst Heaven’s Gate«, nickte eine gut
informierte, vollschlanke Brünette. Das musste Elvira sein – oder hieß sie
Marianne? »Sie müssen Nachsicht mit uns üben, Herr Hauptkommissar«, fuhr sie
fort, »aber in unserem Alter hat man es nicht mehr so mit dem ausländischen
Kauderwelsch, stimmt’s, Helga?«
    Noch ehe Helga auf die versteckte Spitze etwas
erwidern konnte, kam Frau Öchsle ins Zimmer zurück, eine silberne Platte vor
sich herbalancierend, die sie soeben aus der Küche geholt hatte. »Herrschaften,
bitte Platz zu nehmen. Das Horsd’œuvre!«, flötete sie mit gespitzten Lippen.
»Süße Djerba-Datteln im Speckmantel und leckere Spießchen mit
Mozzarellabällchen, Basilikum und Cocktailtomaten. Kommen Sie, Herr Wolf, Sie
sitzen neben mir.«
    Na endlich, dachte Wolf und nahm den ihm zugewiesenen
Sitzplatz ein. Ungeniert packte er sich einige der Appetizer auf den Teller.
Die Dinger sahen verlockend aus, und so rochen sie auch.
    »Am schlimmsten fanden wir die Sache mit den
Obdachlosen«, nahm Helga den Faden wieder auf. »Die armen Kerle. Mit Arsen
vergiftet! Einfach schrecklich! Was muss das für ein Anblick gewesen sein, als
Sie an den Tatort kamen und die Opfer so entstellt vor Ihnen lagen?«
    Wolf ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Erst als er
den Rest seiner Djerba-Dattel samt Speckmantel verdrückt und das leere Holzspießchen
zur Seite gelegt hatte, fasste er die Fragestellerin mit den Apfelbäckchen
schärfer ins Auge. »Ach, wissen Sie, das gehört zu unserer Arbeit, wir sind
diesen Anblick gewohnt. Zugegeben, der Umgang mit Leichen ist nicht gerade
appetitlich. Ersparen Sie mir deshalb, ins Detail zu gehen, es ist zu grausig.«
    »Nun kommen Sie schon, Herr Wolf …«, bat Helga und
legte bittend die Handflächen aneinander.
    »Ja, das interessiert uns jetzt alle, Herr
Hauptkommissar«, bekräftigte Frau Öchsle. »So leicht lassen wir uns nicht ins
Bockshorn jagen, stimmt’s, meine Lieben?«
    Ringsum beifälliges Nicken.
    Genau darauf hatte Wolf nur gewartet. »Also gut, wenn
Sie darauf bestehen«, entgegnete er zögernd, als wolle er ihnen Unangenehmes
ersparen. »Dann lassen Sie uns zunächst bei den Pennern bleiben, meine Damen.
Mit Arsen vergiftet … Wie sieht so jemand aus, fragen Sie?«
    Er sah die Frauen der Reihe nach an. Sie schienen
förmlich nach einer Antwort zu lechzen. Na gut, dann sollten wir die Herzchen
nicht länger warten lassen, dachte er und fuhr in unverdächtigem Plauderton
fort: »Arsen – oder, um genau zu sein, Arsentrioxid, eine besonders toxische
Spielart – ist, wie Sie sicher wissen, sofort löslich und absolut geschmacks-
und geruchsneutral. Doch auch wenn Sie von dem Gift zunächst nichts merken: Es
wirkt

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